Neujahrsempfang

Mehr als 600 Gäste beim Neujahrsempfang der Stadt Kehl

Jeanne Barseghian, Oberbürgermeisterin von Straßburg, Pia Imbs, Präsidentin der Eurométropole de Strasbourg, Oberbürgermeister Wolfram Britz und Karlheinz Axt, Alt-Stadtrat und Bürgermedaillenträger, der am 13. Januar seinen Geburtstag feierte, schnitten gemeinsam die Neujahrsbrezeln und den Dreikönigskuchen an.

Für offenen Dialog, ernsthaftes Zuhören und dafür, die Zukunft der Stadt gemeinsam zu gestalten, warb Oberbürgermeister Wolfram Britz in seiner Rede beim Neujahrsempfang der Stadt Kehl am Montag, 13. Januar, vor mehr als 600 Gästen in der Stadthalle. Seine Straßburger Amtskollegin Jeanne Barseghian bezeichnete Kehl und Straßburg in ihrem Grußwort als Schwesterstädte und die Präsidentin der Eurométropole, Pia Imbs, führte die zahlreichen grenzüberschreitenden Projekte als Beweis dafür an, dass die Gebietskörperschaften dabei seien, einen europäischen Raum aufzubauen. Warum Einsamkeit ein großes Thema ist, das alle angeht, stellte Strategin Maren Meheust in ihrem Vortrag dar. Mit Auszügen aus dem Musical „My Fair Lady“ begeisterte das Kammerorchester zu Beginn der Veranstaltung, die im zweiten Teil des Abends von Bodo Schaffrath musikalisch umrahmt wurde.

Gemeinsamkeit und Zusammenhalt könnten aber nur gelingen, „wenn wir uns füreinander interessieren und miteinander sprechen“, machte Wolfram Britz sein Hauptanliegen deutlich – „und zwar unabhängig davon, wo wir herkommen, also welcher Nationalität, Religion, gesellschaftlichen oder politischen Gruppe, also welcher Identität, wir uns zugehörig fühlen“. Dieser Dialog sei auch deshalb wichtig, „damit wir gemeinsam einen Mittelweg finden können“. In den vergangenen Jahren habe man der Diversität in unserer Gesellschaft breiten Raum eingeräumt und das sei auch gut so. Doch es gelte aufzupassen, „dass wir uns nicht zu sehr zersplittern und das Einende nicht aus den Augen verlieren“.

Impressionen vom Neujahrsempfang im Video

Die Neujahrsrede von Oberbürgermeister Wolfram Britz im Wortlaut

Sehr geehrte Damen und Herren,
 
ich freue mich, Sie zum Neujahrsempfang der Stadt Kehl willkommen heißen zu dürfen und hoffe sehr, dass Sie die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel auf für Sie angenehme Weise begehen konnten. Gemeinsam mit unserem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, mit Kanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Winfried Kretschmann hoffe ich, dass Sie sich trotz der Kriege und Krisen in der Welt – die im zurückliegenden Jahr nicht weniger geworden sind –, der grausamen Amokfahrt von Magdeburg und der Herausforderungen im eigenen Land ihre Zuversicht bewahrt haben. Dass alle drei führenden Politiker in ihren Ansprachen zu Weihnachten und Neujahr mit großer Eindrücklichkeit zu Zuversicht und Gemeinsamkeit aufgerufen und den Zusammenhalt geradezu beschworen haben, verwundert nicht.

Oberbürgermeister Wolfram Britz rief in seiner Neujahrsrede dazu auf, mit Besonnenheit in den Dialog mit Andersdenkenden zu gehen und andere Denkweisen als Möglichkeiten und nicht als Störungen anzusehen.

Denn die großen Aufgaben – nicht nur im Bund und im Land, sondern auch in unserer Stadt – können wir nur angehen, wenn wir zusammenstehen. Was den meisten von uns Sorge bereitet, lässt sich vor allem auf drei Themen eingrenzen: die wirtschaftliche Entwicklung und damit verbunden die Angst um den eigenen Arbeitsplatz, den Klimawandel und die Migration.
 
Doch gesellschaftlicher Zusammenhalt ist nicht einfach gegeben und lässt sich nicht per Knopfdruck aktivieren. Er muss erarbeitet und gepflegt werden, sonst droht er zu erodieren.
 
Es stellt sich die Frage, was es ist, was uns zusammenhält: Wie funktionieren wir als Gesellschaft?

Oder anders ausgedrückt: Was ist in unserer individualisierten Gesellschaft der gemeinsame Nenner?
 
Lassen Sie mich am Beispiel der Aktion „Kehl erfüllt Kinderwünsche“ verdeutlichen, was ich meine:
 
Eine Familie hatte ihren kleinen Sohn zum Abholen des Geschenks mitgebracht. Als ihm die Kollegin das Päckchen überreichte, fragte er: „Warum machst du mir ein Geschenk, du kennst mich doch gar nicht.“ Als ihm die Kollegin erklärte, dass nicht sie es war, die sein Geschenk gekauft hat, sondern jemand, den auch sie nicht kennt, war sein Erstaunen noch viel größer.
 
Dass dies bei uns möglich ist, dass Kehlerinnen und Kehler losgehen und für 150 Kinder, die in Familien mit geringeren finanziellen Ressourcen leben, Weihnachtsgeschenke kaufen, diese liebevoll verpacken und noch mit Süßigkeiten oder Weihnachtsschmuck ergänzen, obwohl sie die Kinder nicht kennen und auch nicht kennen lernen werden, hat mit Solidarität zu tun.

Und damit mit einem wichtigen Grundprinzip, das unsere Gesellschaft zusammenhält: Die Gemeinschaft unterstützt diejenigen, die Hilfe brauchen. Wir können uns in unserem Land darauf verlassen, dass uns in der Not geholfen wird.
 
Für alle, die sich an der Aktion beteiligt haben, war es eine wunderschöne Erfahrung, dass dieses Grundprinzip, das über das von uns allen mitfinanzierte Sozialsystem gesichert ist, darüber hinaus in unserer Stadtgesellschaft Menschen mobilisiert.

Ganz herzlichen Dank, allen. Das Engagement und die positive Resonanz ermutigen uns, in diesem Jahr weiterzumachen und die Wunschzettel dann nicht nur an Familien von Grundschülerinnen und -schülern zu verschicken, sondern auch Kinder im Kita-Alter und Jugendliche bis 14 Jahren miteinzubeziehen.

Ich möchte noch von einer weiteren Erfahrung bei der Geschenkeausgabe berichten: Ein aus dem arabischen Kulturkreis stammender Vater beobachtete das Geschehen zunächst mit etwas Abstand und ließ mehrere Leute vor. Als er dann näherkam und das Päckchen für seinen Sohn in Empfang nahm, fragte er leise, was das denn nun koste. Er konnte kaum glauben, dass er nichts bezahlen muss, und bedankte sich mehrere Male.
 
Als kurz vor dem Ende der Abholzeit noch ein paar Geschenke übrig waren, riefen wir die Familien der Kinder an. Eine Mutter erklärte mit trauriger Stimme, dass sie es sich nicht leisten könnten, die Päckchen für ihre beiden Kinder abzuholen und reichte das Telefon an ihren Mann weiter. Der betonte ebenfalls, dass die Familie leider nicht genug Geld habe.
 
Auch dieses syrische Ehepaar war sich sicher, dass es die Geschenke für die Kinder am Ende bezahlen müsse. Als wir die beiden schließlich überzeugen konnten, und sie doch kamen, strahlte die ganze Familie überglücklich, einschließlich des kleinen Bruders, für den es gar kein Geschenk gab.

Diese Beispiele machen uns bewusst, dass es in vielen Ländern dieser Welt eben keinen Wohlfahrtsstaat gibt, dass es eben nicht selbstverständlich ist, dass die nationale Solidargemeinschaft für einen aufkommt, wenn man Unterstützung braucht.
 
In unserer Solidargemeinschaft sozialisiert, die auf Prinzipien basiert, die unabhängig sind von persönlichen Beziehungen, blenden wir aus, dass man beispielweise in der arabischen Welt auf Gemeinschaftsnetzwerke angewiesen ist: Man unterstützt sich mit großer Selbstverständlichkeit in der Familie oder eben, weil man sich kennt.
 
Dass Menschen jemanden beschenken, mit dem sie nichts weiter verbindet, als der Wunsch, einem Kind eine Freude zu machen, ist in der arabischen Welt mindestens ungewöhnlich, eher noch unbekannt.

Dafür ist das Thema Einsamkeit, über das wir nachher von der Gastrednerin des heutigen Abends noch einiges hören werden, in diesem Kulturkreis ein Fremdwort.
 
Die Solidarität in der Großfamilie und hinein bis in die weitläufige Verwandtschaft ist allumfassend. Kein Familienmitglied bleibt auch nur einen Tag lang ohne Kontakt zu einem anderen und zwar unabhängig davon, wie groß die geografische Entfernung ist. Man ist ständig vernetzt.

Niemand ist allein. Selbst in einem großen Haus zieht sich niemand allein in ein Zimmer zurück. Man sitzt zusammen, man isst zusammen, man schweigt zusammen. Und die Frage, ob man ein bestimmtes Familienmitglied mit seinen besonderen Eigenheiten aushält, stellt sich schlicht nicht.

Dass ein Mensch, wie es leider auch in Kehl immer wieder vorkommt, tagelang tot in seiner Wohnung liegt, ist in der arabischen Welt unvorstellbar.
 
Diese beiden Beispiele zeigen uns, wie viel wir voneinander lernen können.

Dieser Dialog ist auch deshalb wichtig, damit wir gemeinsam einen Mittelweg finden können. Wir haben in den vergangenen Jahren der Diversität in unserer Gesellschaft breiten Raum eingeräumt. Und das ist gut so. Dennoch müssen wir aufpassen, dass wir uns nicht zu sehr zersplittern und das Einende nicht aus den Augen verlieren.
 
Wenn am Ende jede und jeder das Gefühl hat, eine eigene Identität zu sein, laufen wir Gefahr, dass uns der Konsens über die unverhandelbaren Grundprinzipien unserer Gesellschaft abhandenkommt.

Die Kulturwissenschaftlerin und Philosophin Ina Schmidt hat es in einem Interview mit dem Spiegel so zusammengefasst: „Wenn wir in unserer individualistisch freiheitlichen Kleinteiligkeit immer alles neu verhandeln, verlieren wir einander. Wir brauchen Verbindlichkeit und Zuverlässigkeit.“
 
Den großen Herausforderungen unserer Zeit – ich nenne als wichtiges Beispiel den Klimawandel – können wir nur begegnen, wenn wir über die Grenzen von Ländern und Kontinenten hinweg an einem Strang ziehen.

Doch wie soll das gelingen, wenn wir es im eigenen Land, ja in der eigenen Stadt nicht schaffen?

Deshalb haben der Bundespräsident, der Bundeskanzler und der Ministerpräsident Gemeinsamkeit und Zusammenhalt in ihren Ansprachen in den Mittelpunkt gestellt. Und deshalb ist die Frage, wie wir hier in Kehl miteinander umgehen, zentral.
 
Wir haben im und nach dem Kommunalwahlkampf im vergangenen Jahr Anfeindungen erlebt, die wir in Kehl – und besonders in unseren Ortschaften – nicht für möglich gehalten hätten. Es wurden Gräben aufgerissen und Mauern errichtet, die noch heute Bestand haben.

Michael Blume, der Antisemitismusbeauftragte des Landes, hat beim interreligiösen Dialog im Kulturhaus im November, hervorgehoben, wie ungewöhnlich es – im positiven Sinne – sei, dass in Kehl Vertreterinnen und Vertreter der unterschiedlichen monotheistischen Religionen miteinander sprechen und dabei die Gemeinsamkeiten – und nicht die Unterschiede – betonen.

Genau solche Dialoge sind es, die wir in unserer Stadt auf viel mehr Ebenen brauchen. Ich zitiere Ina Schmidt:
 
„Rückzug ist ein großes Problem, individuell und gesellschaftlich. Einsamkeit macht krank, Begegnungen und Dialoge dagegen können den Blick in die Zukunft verbessern, aus Gemeinschaften können sich Allianzen und Ideen entwickeln, die allein kaum vorstellbar sind.“
 
Und weiter: „Wir können trainieren, andere Denkweisen anzuhören und sie als Möglichkeit anzusehen und nicht als Störung. So öffnen wir Türen und lassen frischen Wind in unseren Kopf.“
 
Wir sollten, rät uns die Kulturwissenschaftlerin und Philosophin, „für Gespräche kämpfen, bei denen das Urteil nicht schon feststeht, bevor sie überhaupt begonnen haben. Wir müssen auch den eigenen Tonfall überdenken und nicht diejenigen arrogant abqualifizieren, die andere Fragen haben, weil ihre Lebenswirklichkeit eine andere ist“.

Wie gut es uns tut, einfach zuzuhören, hat sich auch bei der von Landtagspräsidentin Muhterem Aras Ende Oktober hier in der Stadthalle organisierten Veranstaltung „Wertsachen – was uns zusammenhält“ gezeigt. Dabei ging es darum zu erfahren, was junge Menschen in Kehl von Europa erwarten.

Das sich Oberstufenschülerinnen und -schüler einer Klasse des sozialwissenschaftlichen Gymnasiums wünschen, dass das Wahlalter in Europa auf 16 Jahre gesenkt wird, hat wahrscheinlich die wenigsten der etwa 300 Zuhörerinnen und Zuhörer in der Halle überrascht. Aber hätten Sie gedacht, dass sich die Jugendlichen für eine Wahlpflicht aussprechen?

Wir haben erfahren, dass sie die sozialen Netzwerke nicht nur kritisch sehen, sondern sich von der EU dringend einen stärkeren Schutz vor Fake News wünschen. Dieser Wunsch hat seit dem vergangenen Mittwoch eine noch höhere Brisanz, nachdem Mark Zuckerberg, Chef des Instagram- und Facebook-Mutterkonzerns Meta, angekündigt hat, die Zusammenarbeit mit Faktencheck-Redaktionen zu beenden.
 
Anstatt professioneller Faktencheck-Teams sollen künftig Nutzerinnen und Nutzer „einordnenden Kontext“ ergänzen können, um Desinformation einzudämmen – ganz nach dem Muster von Elon Musks Netzwerk X. Außerdem kündigt Meta an, seine Beschränkungen für Hasskommentare aufzuweichen.
 
Zwar beziehen sich die neuen Regelungen zunächst nur auf die USA, dennoch macht sich das Europäische Faktencheck-Netzwerk EFCSN bereits große Sorgen.

Stellt sich also hier nicht die Frage, ob wir dieses Thema stärker in den Blick nehmen und als Stadt versuchen müssen, Jugendlichen mehr Unterstützung zu geben? Zusätzlich zu dem, was in den Schulen geschieht, in unseren Jugendhäusern, in unserer Mediathek? Mit zusätzlichen Plattformen und Formaten?
 
Aktives Zuhören, Dialog und Diskussion können etwas in Gang bringen. Dies umso mehr in einer beschleunigten Zeit, in der wir in wenigen Jahren Entwicklungen durchmachen, die sich früher über mehrere Generationen hinweg vollzogen. Diese rasanten Veränderungen lösen bei vielen Menschen innere Konflikte und Ängste aus, die sich in Einsamkeit noch verstärken.
 
Doch „jede und jeder kann lernen, die eigene Meinung zu vertreten und selbst Verantwortung zu übernehmen, zumindest im eigenen Umfeld“, sagt Ina Schmidt. Und weiter: „Auf diese Weise erfahren wir Selbstwirksamkeit, wir müssen uns nur zur Verfügung stellen.“

Unsere Demokratie lebt davon, dass wir uns eigenständig Meinungen bilden und diese vertreten. Der Wettstreit von Meinungen und Ideen bringt uns weiter. Voraussetzung dafür ist allerding, dass die Auseinandersetzung vernunftbasiert ist und wir bereit sind, uns von besseren Argumenten überzeugen zu lassen.
 
Dies gilt gerade bei streitbaren Themen, wie zum Beispiel der Migration. Natürlich ist es nicht einfach, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammenleben. Natürlich müssen wir über die Schwierigkeiten – und Missverständnisse – sprechen, die sich dabei ergeben können.

Weil wir dabei immer wieder in die Polarisierungsfalle tappen, wo die Lösung Besonnenheit wäre, möchte ich mit einer Metapher des Schriftstellers Amin Maalouf enden, der als arabischer Christ und in Frankreich lebender Libanese, mehrere Identitäten in sich vereint, und in seinem preisgekrönten Essay „Mörderische Identitäten“ folgendes geschrieben hat:

„Die Besonnenheit ist eine Gratwanderung, der schmale Pfad zwischen zwei Abgründen, zwei extremen Auffassungen. Hinsichtlich der Immigration besteht das eine Extrem darin, das Gastland als ein unbeschriebenes Blatt anzusehen, auf dem jeder eintragen kann, was er möchte, oder schlimmer, als ein Niemandsland, auf dem sich jeder mit Sack und Pack niederlassen kann, ohne an seinen Verhaltensweisen und Gewohnheiten das mindeste ändern zu müssen.

Das andere Extrem besteht darin, das Gastland als eine bereits abgeschlossene Seite zu betrachten, als ein Land, dessen Gesetze, Werte, religiöse Überzeugungen, kulturelle und menschliche Eigenheiten ein für alle Mal festgeschrieben sind, und das den Immigranten keine andere Möglichkeit lässt, als sich anzupassen.“

Wer über diese beiden Extreme nachdenke, schreibt Maalouf, dürfe doch „der wohl konsensfähigen Einsicht ein Stück näher rücken, dass nämlich das Gastland weder ein unbeschriebenes noch ein volles Blatt ist, sondern eines, das gerade geschrieben wird“.
 
Ich möchte Sie gerne einladen, diese Metapher nicht nur auf die Migration, sondern insgesamt auf den Umgang mit den unterschiedlichen Gruppen und Identitäten in unserer Stadt zu beziehen:
 
Lassen Sie uns in Kehl 2025 unsere Buchseite gemeinsam beschreiben,
 
zum einen im Sinne von Aristoteles, der schon in der Antike wusste, dass das Gute im Leben nur gemeinsam entstehen kann;
 
und zum andern im Sinne von Karl Popper, der gesagt hat: „Zum Optimismus gibt es keine vernünftige Alternative“, wenn man zwischen Aufstehen und Schlafengehen etwas Sinnvolles tun möchte.
 
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein gutes, gesundes und an Dialogen und Begegnungen reiches Jahr 2025.
 
Vielen Dank!

Die Rede der Straßburger Oberbürgermeisterin Jeanne Barseghian

Vielen Dank, lieber Wolfram, für deine Einladung zum Neujahrsempfang in Kehl. Ich möchte dir und allen Bürgerinnen und Bürgern von Kehl meine besten Wünsche übermitteln, viel Gesundheit, glückliche Tage und Freude am Zusammenleben und an der Freundschaft mit den Menschen, die uns umgeben.

Jeanne Barseghian, Oberbürgermeisterin von Straßburg, stellte die Gemeinsamkeiten und die gemeinsamen Projekt von Straßburg und Kehl in Ihrem Grußwort in den Vordergrund. 

Die Beziehung zwischen unseren beiden Städten ist besonders und einzigartig, und auch ich möchte sie gerne als Schwesterstädte bezeichnen: Schwestern sind sie durch den Rhein, der sie nicht trennt, sondern sie in einer geografischen und menschlichen Kontinuität vereint. Sie sind Schwestern durch die täglichen Fahrten von Tausenden von Bürgerinnen und Bürgern von einem Ufer zum anderen. Sie sind Schwestern durch die vergangene Geschichte und werden es immer mehr durch die zukünftige Geschichte sein.

2024 hat es nicht an gemeinsamen Ereignissen gefehlt, die unseren beiden Städten in Erinnerung bleiben werden.   Wir haben uns gemeinsam der einmaligen Herausforderung gestellt, von der UNESCO als Welthauptstadt des Buches anerkannt zu werden. Die Literatur hat zur Annäherung und zum gegenseitigen Verständnis beigetragen. Von April 2024 bis April 2025 steht das Buch im Mittelpunkt der grenzüberschreitenden Beziehungen und bringt eine neue Dimension in die Zusammenarbeit zwischen Straßburg und Kehl. Es ist uns gelungen, das kulturelle Erbe des gemeinsamen Lebensraums aufzuwerten.Darauf können wir kollektiv stolz sein!

Im September haben wir gemeinsam das 20-jährige Bestehen des Gartens der zwei Ufer gefeiert. Das war eine sehr schöne Veranstaltung bei der sich unsere Bürgerinnen und Bürger begegnen konnten.Ich möchte dir, lieber Wolfram, dafür danken, dass du der Stadt Straßburg bei diesen Ereignis zur Seite gestanden hast, so wie du es auch beim 80. Jahrestag der Befreiung Straßburgs getan hast.

Die Feierlichkeiten rund um diesen Jahrestag hatten einen ganz besonderen Charakter, da der Lärm von Stiefeln und Waffen in Europa und der Welt wieder zu hören ist. Frankreich und Deutschland, Straßburg und Kehl zeigen, dass Frieden und Freundschaft zwischen den Völkern möglich sind. Und obwohl unsere beiden Länder heute eine gewisse Instabilität und Regierungsunsicherheit erleben, die das Miteinander nicht gerade erleichtern, geben Straßburg und Kehl jeden Tag ein Beispiel für eine solide Zusammenarbeit, die auf Vertrauen und Verständnis für den anderen rund um konkrete Projekte beruht.

Das Jahr 2025 wird für mehrere Projekte entscheidend sein: Die Entwicklung des Projekts Calorie Strasbourg-Kehl wird sich beschleunigen und ist sogar für neue Industrien im Kehler Hafen interessant. Wir werden, lieber Wolfram, nächste Woche die Gelegenheit haben, uns darüber mit Carsten GABBERT, dem Präsidenten vom Regierungspräsidium Freiburg auszutauschen. Dieses europaweit neuartige Wärmenetz soll im Winter 2027/2028 in Betrieb genommen werden und ist beispielhaft dafür, wie politischer Wille Hindernisse überwinden kann.

Am 16. Januar werden wir uns alle im Rathaus von Kehl versammeln, wo Pia IMBS und Carsten GABBERT die Planungsvereinbarung zum Neubau der Europabrücke unterzeichnen werden. Diese Brücke aus dem Jahr 1960 ist mehr als ein Symbol, mehr als eine strategische Straße von internationalem Interesse.

Sie ist zusammen mit der Passerelle des Deux Rives und der Straßenbahnbrücke die tägliche Verbindung, die Kehl und Straßburg miteinander verbindet. Diese Brücken ermöglichen es unseren Bürgerinnen und Bürgern heute, sich mit allen Verkehrsmitteln fortzubewegen, für die Arbeit, die Freizeit, die Einkäufe. Sie sind das beste Beispiel für einen geeinten und befreundeten grenzüberschreitenden Lebensraum.

2025 wird ein vielfältiges und beispielhaftes Jahr für unsere Freundschaft und unser gemeinsames Glück sein. Ich danke Ihnen.Bonne année 2025 !

Die Rede vom Pia Imbs, Präsidentin der Eurométropole de Strasbourg, im Wortlaut

Vielen Dank für die Einladung zum Neujahrsempfang der Stadt Kehl. Ich habe mich sehr über diese Einladung gefreut, da sie die Bedeutung der Beziehungen zwischen der Stadt Kehl und Straßburg unterstreicht.

 Wir sind ein echtes Labor für erfolgreiche grenzüberschreitende Beziehungen. Wir wissen, wie man sich im Alltag austauscht. Wir haben eine vertrauensvolle Beziehung aufgebaut, die es uns ermöglicht, schöne Projekte in diesem grenzüberschreitenden Raum gemeinsam zu gestalten.

Pia Imbs, Präsidentin der Eurométropole de Strasbourg, nahm die verbindenden Projekte in den Blick, mit denen Straßburg und Kehl einen europäischen Raum aufbauen.

In der Tat bauen Straßburg und Kehl einen europäischen Raum auf. Zahlreiche Menschen überqueren täglich die Grenze zwischen Straßburg und Kehl. Ich erinnere daran, dass 3000 Franzosen in Kehl leben. 
Seit 1960 verkörpert die Europabrücke die Beständigkeit der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Heute bekräftigen wir dieses Engagement, indem wir eine neue Phase ihrer Geschichte einleiten. Im Januar 2025 werden wir die Planungsvereinbarung zum Neubau der Brücke unterzeichnen. Das ist der konkrete Beweis für unseren gemeinsamen Willen, in eine gemeinsame Zukunft zu investieren und dabei die Verbindungen, die unsere beiden Städte und Länder vereint, zu stärken.

Die Tramlinie D verbindet seit 2017 Kehl, Straßburg und die Eurometropole. Diese grenzüberschreitende Straßenbahn, die mit vier Millionen Fahrten im Jahr 2023 weit über den Erwartungen liegt, zeigt den Erfolg unserer Zusammenarbeit. Kehl ist außerdem 2024 Anteilseignerin an der Straßburger Verkehrsgesellschaft CTS geworden. Dies ist ein wichtiger Schritt, der unsere Partnerschaft stärkt und Kehl eine Stimme bei der Steuerung unserer öffentlichen Verkehrsmittel verleiht. Dies ist ein starkes Symbol für unseren gemeinsamen Lebensraum.

Darüber hinaus haben die beiden Gebiete strukturelle grenzüberschreitende Projekte entwickelt und aufgebaut, die der Bevölkerung dienen und von den Einwohnerinnen und Einwohnern beider Seiten der Grenze besucht werden: Garten der zwei Ufer, Deutsch-französische Kinderkrippe, Nutzung der Mediatheken, Kaleidoscoop, Maison de l'emploi. Dies zeigt, wie stark unsere Beziehungen im Alltag sind.
Wir haben auf dem Höhepunkt der Coronapandemie den Schock gesehen, den die Schließung der deutsch-französischen Grenze ausgelöst hat. Die Grenze wurde für eine kurze Zeit wieder zur Realität und diese Zeit hat uns geprägt. Heute ist der grenzüberschreitende Raum wieder eine alltägliche Realität und wir müssen die Mobilität zwischen unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die sich im selben Lebensraum befinden, unterstützen.

Im Jahr 2025 werden wir weiterhin und wie in der Vergangenheit, durch Offenheit und die Pflege unserer Beziehungen, einen harmonischen und dynamischen Lebensraum für unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger aufbauen. Ich danke nochmals für die Einladung. Ich freue mich sehr, hier zu sein und wünsche mir, dass wir in diesem Jahr noch engere Beziehungen zwischen der Eurometropole Straßburg und Kehl knüpfen werden.

Der Vortrag von Strategin Maren Meheust im Wortlaut

Strategin Maren Meheust machte in einem Vortrag deutlich, warum Einsamkeit ein großes Thema ist, das jede und jeden angeht.

Ich lade sie zu einem Gedankenexperiment ein.
 
Bitte schließen sie kurz die Augen und stellen sie sich einen einsamen Menschen vor.
Die komplette Szene, wie ein Bild, das man bekommt, wenn man unter Google Suche eingibt: Einsamer Mensch. Oder Einsamkeit.
 
Was sehen sie da? Und wen sehen sie da? Ist dieser Mensch jung oder alt? Wo ist dieser Mensch?
Drinnen? Draußen? Wie sieht das Bild aus, dass sie vor ihrem inneren Auge haben?
Ist es hell? Dunkel? Ist es laut oder leise dort? Sehen sie andere Menschen?

Sie können jetzt wieder die Augen öffnen.
 
Wahrscheinlich haben sie gerade einen Menschen gesehen, der saß oder stand. Unbeweglich.
Entweder in einem leeren Raum oder in der Natur. See-Bilder gibt es oft. Der Blick in die Ferne.
 
Momente, draußen. Am Wasser.

Was sie dort sehen, ist unser Klischee-Bild von Einsamkeit. Tatsächlich das, was kommt, wenn man bei Google nach Einsamkeit sucht.
 
Diese Bilder werden genutzt, wenn jemand einen Blogbeitrag über Einsamkeit schreibt.

Vielleicht haben sie aber auch einen Menschen drinnen gesehen.
Viele denken auch schnell ans Altersheim. Ein älterer Mensch in einem leeren Raum.

Oder sie haben vielleicht an eine Person gedacht, die sie kennen. Die viel alleine ist und keinen Anschluss findet.
 
Ob es jetzt das Natur-Einsamkeitsbild war, der ältere Mensch oder das hier am Fenster.
 
Es gibt eine wichtige Gemeinsamkeit: Alle Szenen zeigen einen Menschen, der allein ist.

Aber, und das ist ganz wichtig für uns alle zu verstehen:
Einsamkeit bedeutet NICHT allein sein.
 
Man KANN sich einsam fühlen, wenn man alleine ist. Aber eben auch, wenn man in Gesellschaft ist.
 
Das zu verstehen, war für mich bahnbrechend.
 
Ich bin Maren Meheust und Strategin.

Marketing-Strategin. Das heißt, dass ich Marketing-Projekte durchdenke, bevor sie umgesetzt werden. Ich versuche zu verstehen, wer angesprochen werden soll und vor allem WIE man am besten die Menschen erreicht.
 
Dabei ist es wichtig, Klischees aufzubrechen, festgesetzte Bilder zu hinterfragen und neue Blickwinkel aufzumachen. Denn so erreicht man in der Kommunikation am besten die Menschen.
 
Unter anderem arbeite ich in einem Team, das Marketingmaßnahmen für das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend umsetzt.

An einem meiner Arbeitstage bekam ich die “Strategie gegen Einsamkeit” der Bundesregierung als neues Projekt zugeteilt.
 
Einsamkeit. Ich habe mich wirklich gewundert.
 
Im Gegensatz zu allen Themen, die ich sonst vom Bundesministerium bearbeite, kam mir “Einsamkeit” so still, unauffällig, fast zu persönlich vor. Davor hatten wir Kampagnen z.B. für das Hilfetelefon für Schwangere in Not.
 
Aber Einsamkeit? Warum kümmert sich die Regierung um so ein privates Gefühl?

Und wieder war es hier meine Aufgabe als Strategin zu verstehen, wer davon betroffen ist und wie man die Betroffenen am besten erreicht. Ich hatte dieses Bild im Kopf von dem einsamen Menschen, der allein für sich im Zimmer ist. Gefühlt eine Randgruppe der Gesellschaft. Und vor allen Dingen sah ich Einsamkeit als ein Thema, das wenig mit meiner Lebensrealität zu tun hat. Ich bin Mutter von Kleinkindern und alle Eltern wissen hier: Da ist man echt selten allein. Also dachte ich: Ich bin ja nicht einsam.

Als ich aber Einsamkeit von der Vorstellung gelöst habe, dass “einsam sein” - “allein sein” bedeutet, hat es auf einmal eine ganz andere Relevanz bekommen.
 
Damit betrifft Einsamkeit eben auf einmal nicht nur die, die wenig Kontakte haben und vielleicht irgendwo alleine am See sind.
 
 
Dann betrifft es vielleicht Sie ganz persönlich. Oder mich.
Dann wird auf einmal die Gruppe derer, die betroffen von diesem Gefühl sind, von diesem Gefühl, größer.

Einsamkeit bedeutet nämlich das Erleben von Bezugslosigkeit.
Und vor allen Dingen sieht man sie nicht.
 
Wenn wir einsam sind, dann fühlen wir uns NICHT wahrgenommen. NICHT gesehen. NICHT verstanden. Wir fühlen uns einsam, wenn uns der Kontakt oder die Unterstützung anderer Menschen fehlt.
Oder wie es in einer offiziellen Definition heißt: “Es ist die Diskrepanz zwischen den tatsächlichen und den gewünschten sozialen Beziehungen eines Menschen.”
 
Das heißt, dass der Mensch, den sie gerade am See gesehen haben, dann einsam ist, wenn er gerne in Gesellschaft dort wäre. Aber das heißt auch, dass man sich in so einer Situation sehr wohl fühlen kann, wenn man sich bewusst für die Ruhe entschieden hat.

Einsamkeit ist das Erleben von innerer Leere, wenn man innerlich allein ist.
 
Und das kann überall aufkommen: Auf einem Event, am Bahnsteig, auf einer Party, bei einem Abendessen. Das kann in unserem digitalen Alltag aufkommen, wo wir den ganzen Tag irgendwie miteinander connected sind.
Also eben nicht allein sind, weil wir den ganzen Tag irgendwie hin und her schreiben, liken, sehen, teilen. WhatsApp, Email, Tiktok, Meetings.
 
Wenn wir den ganzen Tag verbunden sind. Ohne uns verbunden zu fühlen.

Als ich angefangen habe, die wirkliche Einsamkeit zu verstehen, war sie auf einmal etwas, was auch etwas mit mir zu tun hatte.
 
Das mit uns allen zu tun hat, denn wir leben in dieser digitalen Welt und kommen aus einer Zeit, in der echter Kontakt nur eingeschränkt möglich war.
 
Ich kenne das Gefühl der Leere, obwohl man doch eigentlich gerade viele und vieles um sich herum hat. Und ich bin mir sicher, dass sie es auch kennen. Vielleicht sogar schon kurz heute, hier, wo doch eigentlich so viel los ist.

Oder: War nicht gerade Weihnachten?
Wer war am Heiligabend einsam? Hat es sich leer angefühlt, obwohl der Raum voll war?
 
Die zweite wichtige Erkenntnis war für mich, dass Einsamkeit gefährlich werden kann.
 
Ich habe - um ehrlich zu sein - das Gefühl komplett unterschätzt.
Zuerst, weil ich dachte, dass es nur ein paar Menschen angeht. Und dann, weil ich der Einsamkeit unterstellt habe, dass sie mal kurz aufkommt, wie vielleicht ein Ärger. Und dann wieder verfliegt.
 
Aber wir haben hier mit etwas viel Größerem zu tun. Einige von uns kommen nämlich aus der Einsamkeit nicht heraus. Und das kann echte Folgen haben.

Chronische Einsamkeit ist so schädlich wie das Rauchen von 15 Zigaretten pro Tag, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und macht anfälliger für Infektionen.
 
Diabetes und Demenzerkrankungen können sich verschlechtern.
 
Einsamkeit beeinflusst auch, wie wir mit Stress umgehen. Der Alltag kann sich durch sie schwerer anfühlen und Depressionen verstärken. Sogar Suizidgedanken durch die Bezugslosigkeit auftauchen.
 
Einsamkeit führt oft zu einem ungesunden Lebensstil. Viele versuchen die Leere mit kurzfristigen Belohnungen zu füllen: ungesundes Essen, Suchtmittel.
 
Puh. Ganz schön viel.
Es ist eben nicht nur ein kleines, privates Gefühl.
 
Und es wird noch größer.

Gesamtgesellschaftlich ist Einsamkeit auch gefährlich.
 
Studien zeigen, dass chronisch einsame Menschen häufiger demokratische Werte und Normen ablehnen und eher Verschwörungstheorien anhängen.
Denn sie fühlen sich ausgestoßen und nicht mehr Teil des Systems.
 
Das kommt von dieser Abwärtsspirale, in die man geraten kann: Je einsamer man sich fühlt, desto mehr zieht man sich zurück, desto einsamer wird man.
 
Einsamkeit ist wie eine Einbahnstraße, wo es schwer ist zu wenden.

Je mehr ich mich in das Thema eingelesen habe, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich da wohl eines der drängendsten Probleme unserer Zeit auf dem Tisch hatte.
Paradox, weil doch immer jemand um uns herum ist.
 
Und so formuliert es auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz: Einsamkeit ist "die vielleicht größte Volkskrankheit in Deutschland". Etwa jeder Dritte in Deutschland fühlt sich zumindest teilweise einsam.
 
Bei jungen Leuten unter 30 Jahren ist es sogar fast jeder Zweite. SIE sind die neue Risikogruppe.

Hat jemand vorhin an einen jungen Menschen gedacht, als ich sie gebeten habe, die Augen zu schließen? Wahrscheinlich nicht, wenn sie nicht gerade ein Einzelschicksal kennen. Jeder zweite junge Erwachsene. Von wegen privates Gefühl.
 
Und übrigens - so geht es nicht nur uns in Deutschland. Sondern es ist ein weltweites Problem. So drängend, dass es sogar mittlerweile in Großbritannien ein Ministerium für Einsamkeit gibt.

Hier sehen sie eines der Werbeplakate des Ministeriums.
 
Es hebt das Gefühl der Einsamkeit bewusst gegenüber anderen hervor.
Denn nicht nur ich habe sie bisher unterschätzt.
 
Ich glaube, das tun wir alle ein bisschen.
 
Aber, was machen wir jetzt mit dem ganzen Wissen?
 
Es ist erstmal total wichtig, dass wir uns wieder bewusst werden:
 
Einsamkeit geht uns alle an.
 
Es ist wichtig, die Leere, die wir im vollen Digitalalltag fühlen können, erstmal wirklich wahrzunehmen. Und ernst zu nehmen. 
 
Wir müssen auf uns aufpassen. Und wir müssen auch auf die anderen aufpassen.

Denn so gefährlich sie ist: Es gibt Hoffnung.
Man kann etwas dagegen tun! Kann die Einbahnstraßen erkennen und schnell den Rückwärtsgang nehmen. Oder jemandem helfen, doch noch zu wenden.
 
Neben all’ den individuellen Zielen, die wir uns vielleicht fürs Jahr 2025 gesteckt haben: Besser im Job, bessere Fitness oder was auch immer besser werden sollte, brauchen wir mehr Verbundenheit.
 
 
Wirklich gute Abende mit Freunden, wo man gemeinsam lacht. Einander sieht. Sich auf Augenhöhe austauscht. Und dann an dem Abend wirklich auch mental dabei sein. Das Handy weglegen.

Wer hat jetzt gerade sein Handy in der Hand, während ich spreche? Kurz: Whatsapp checken. die Mails oder Social Media? Alles nicht schlimm, könnte mir genauso passieren. Aber wir brauchen wieder mehr Fokus im Hier und Jetzt, um uns und die anderen nicht zu verlieren.
 
Ich habe von Pubs in Australien gehört, wo das Bierglas nicht von allein steht. Man muss erst das Handy drunterschieben, damit es nicht umfällt. Vielleicht können wir uns alle dieses Jahr ein bisschen überlisten und das Handy woanders hinlegen.
 
Vielleicht kann man an so einem Abend auch mal über Einsamkeit sprechen. Um es aus der privaten Tabuzohne rauszuholen.

Vielleicht heisst das dieses Jahr für alle Kehler und Kehlerinnen, einmal mehr die Tram nach Straßburg zu nehmen und sich mal dorthin zu trauen, wo viele, obwohl sie so nah an der Grenze wohnen, so wenig sind.
 
 
Der Journalist Philipp Jedicke, der gerade einen Film über unsere Heimat bzw bei mir Wahlheimat macht, hat es schön formuliert: Hier spürt man Europa. Wer das noch nicht gefühlt hat, kann sich das fürs neue Jahr vornehmen.
 
Mehr aufeinander zugehen, neue Kontakte schließen. Das alles hilft gegen Einsamkeit.

Und wem es schwerfällt, der kann sich bei den vielen deutsch-französischen Angeboten umschauen, die es genau für die Grenzüberschreitung gibt: Das Kaleidoscoop, die deutsch-französische Kapelle.
 
Es gibt deutsch-französische Vereine und Stammtische. Gemeinschaften, die dafür da sind, ins Gespräch über Grenzen hinweg zu kommen.

Eine weitere Hilfe gegen die innere Leere: bewusst in “Begegnungsräume” gehen. Denn auch der Ort, an dem wir leben und uns am meisten aufhalten, beeinflusst das Gefühl von Zugehörigkeit. Es gibt Orte, die dafür gemacht sind, dass wir uns schon weniger innerlich allein fühlen. Gemeinschaftliche Parks, Bibliotheken. Es gibt ganze Bücher darüber, wie geteilte Räume unserer Seele gut tun.
 
Wie wäre es 2025 mit mehr Spaziergängen im Garten der Zwei Ufer. Hier stehen Bänke zum Unterhalten, hier gibt es Orte zum Verweilen.
 
Oder gehen sie mal wieder in die Mediathek oder das Kulturhaus Kehl. Nutzen Sie die Angebote, die es dort gibt. Das ist kein einfacher Zeitvertreib, das ist eine Investition in ihre Seele und Gesundheit.

Noch ein Tipp: Hilfsbereiter sein. Denn das macht uns glücklich und- Überraschung- weniger einsam.
 
Es gibt Momente in unserem täglichen Leben, in denen wir uns ganz kurz mit einer anderen Person verbunden fühlen. Wenn wir eben kurz eine Tasche tragen helfen, die Tür aufhalten.
 
Ich habe auch von der netten Gruppe gehört, die im Sommer den Wasserspielplatz am Rhein sauber macht. 2x die Woche dienstags und freitags.

Oder dem Tafel Laden hier in Kehl, der Menschen mit geringem Einkommen versorgt. Wer sich hier ehrenamtlich engagiert, tut anderen aber vor allem sich selbst etwas Gutes.
 
Das ist die beste Medizin gegen Einsamkeit.
 
Noch etwas, was wirklich total einfach, aber verrückterweise gar nicht so selbstverständlich ist: Aufrichtiges Zuhören. Vielleicht einfach mal selbst darauf achten, ob man wirklich, ehrlich, ohne Vorverurteilung gerade zuhört. Und es lohnt sich, auch mal andere Ideen zuzulassen.
 
Sonst hätte auch ich nie diesen Aha-Moment bei der Einsamkeit gehabt, sondern würde immer noch denken, dass ICH das ganz bestimmt nicht bin.

Ich wünsche Ihnen allen auf jeden Fall für das Jahr 2025 ganz viele wertvolle Begegnungen.
 
Gute Gespräche, nette Momente mit anderen Menschen.
 
Und wenn Sie alleine am See stehen, dann hoffe ich, dass es Momente sind, wo sie das alleinsein genießen können, weil ihr Herz voll ist. Und sie sich bewusst fürs Alleinsein entschieden haben. Denn das ist natürlich auch wichtig in der Schnelllebigkeit.
 
Das Geheimnis ist die richtige Balance.