Klimawerkstatt

Nach dem Sammeln kommt die Detailarbeit: Konkretisierte Handlungsempfehlungen fürs Klimaschutzkonzept

111 Vorschläge für Maßnahmen, um den Klimawandel in Kehl auszubremsen, waren bei der Klimawerkstatt im April zusammengekommen. Am Folgetermin am Dienstagabend (7. Mai) ging es nun an die Detailarbeit. Rund 20 zufällig ausgewählte Einwohnerinnen und Einwohner hatten sich unter dem Dach der Villa RiWa eingefunden, um die vorliegenden Vorschläge zu vertiefen und zu präzisieren. Diese dienen als Grundlage für einen Maßnahmenkatalog, der in das neue Klimaschutzkonzept aufgenommen wird.

Ein Überblick über die vorgeschlagenen Maßnahmen:

Eine fünfköpfige Gruppe sitzt an einem Tisch in der Villa RiWa und unterhält sich angeregt.
In Kleingruppen wurden die Handlungsempfehlungen für die einzelnen Themenfelder diskutiert und konkretisiert. 

Mobilität

Die per Zufallsgenerator ausgewählten Kehlerinnen und Kehler wünschen sich eine fahrradfreundliche Stadt. Dazu schlagen sie vor, die Radwege weiter auszubauen und Sicherheitszonen, beispielsweise rings um Schulen, in denen ein Halteverbot für Autos gilt, einzurichten. Außerdem wünschen sie sich zusätzliche kostenfreie und diebstahlsichere Abstellmöglichkeiten. Doch nicht nur das Radwegenetz, sondern auch das ÖPNV-Angebot soll nach dem Vorschlag der zufällig ausgewählten Einwohnerinnen und Einwohner ausgeweitet werden. Das Ziel ist es, die Nutzerzahlen in den Bussen zu steigern. Dazu soll, so die Idee, die Taktung in den Abendstunden (ab 23 Uhr) optimiert und digitale Tafel, die Verspätungen und Busausfälle anzeigen, aufgestellt werden.

Gebäude und erneuerbare Energien

Mehr Dach- und Fassadenbegrünung und mehr Entsiegeln wünschen sich die Teilnehmenden. Um Privateigentümer von Gebäuden und Grundstücken zu motivieren, soll die Stadt mit einem eigenen Beispielsprojekt veranschaulichen, was es an Möglichkeiten gibt. Zusätzlich wird ein Aktionstag in Zusammenarbeit mit den Grundschulen vorgeschlagen, um auf vorhandene Angebote hinzuweisen. Ein weiterer Vorschlag zielt darauf ab, bei Eigentümerinnen und Eigentümern von Altbauten das Interesse an einer energetischen Sanierung oder einem Heizungstausch zu wecken. Hierzu soll die Stadt auf die Eigentümer zugehen, beispielsweise mit Infomaterial oder einem Fragebogen zu möglichen Sanierungsplänen. Die Stadt fördert bereits Sanierungsvorhaben mit bis zu 3000 Euro pro Gebäude und Jahr durch das Programm „Klimafreundlich Leben“.

Land- und Forstwirtschaft

Das Thema Land- und Forstwirtschaft ist eng mit dem Bereich Klimaanpassung verknüpft. Viele der in diesem Bereich diskutierten Ideen werden sich deshalb nicht in dieser Form im Klimaschutzkonzept wiederfinden. Trotzdem sind die entwickelten Ideen für die Stadt wertvoll – auch Klimaanpassung ist ein wichtiger Aufgabenbereich. Die Anwesenden schlagen vor, dass die Stadt ihre Waldflächen und ihren Baumbestand vergrößern könnte. Um dafür geeignete Flächen zu finden, soll die Stadt brachliegende Grundstücke sowohl in kommunalem als auch in Privatbesitz erheben. Auf diesen Flächen könnten, so der Vorschlag der Zufallsbürgerinnen und -bürger, Mischwälder entstehen. Um die Akzeptanz für die Maßnahme in der Bevölkerung zu stärken, könnte die Stadt eine Demonstrationsfläche anlegen und bewalden.

Konsum

Ein Vorschlag zu nachhaltigem Konsumverhalten: Selbstbedienungsautomaten für regionale Produkte. Die Stadt soll dabei in die Rolle der Koordinatorin schlüpfen, die gut erreichbare Aufstellflächen in der Kernstadt und in den Ortschaften bereitstellt.
Vorgeschlagen wird auch eine Nachbarschaftshilfe-App, die allerdings nicht nur hilfesuchende und hilfeanbietende Kehlerinnen und Kehler zusammenbringt, sondern auch Angebote lokaler Erzeugerinnen und Erzeuger ausweist und aktuelle Projekte und Initiativen vorstellt.
Ein weiteres Handlungsfeld beschäftigt sich mit einer Mediathek der Dinge, in der statt Büchern, Zeitschriften oder Filmen Haushaltsgegenstände und Geräte ausgeliehen werden können. In einer Art Online-Katalog könnten die Wunschgeräte vorgemerkt werden. Für die Mediathek der Dinge wünschen sich die Teilnehmenden einen separaten Standort.

Wirtschaft

Welche Anreize lassen sich für Firmen schaffen, damit sich diese stärker für das Thema Nachhaltigkeit engagieren? Auch hier setzen die Teilnehmenden insbesondere auf Überzeugungsarbeit durch gute, lokale Beispiele. Die finanziellen Aspekte derartiger Investitionen sollen, so der Vorschlag, keineswegs ausgeblendet werden. Vielmehr soll den Firmen verdeutlicht werden, welche Kapitalrendite (im Fachjargon ROI oder Return on Investment genannt) bei Nachhaltigkeitsprojekten zu erwarten ist.
Zudem empfehlen die zufällig ausgewählten Einwohnerinnen und Einwohner den Unternehmen, vermehrt auf Sharing-Angebote zu setzen, beispielsweise indem Dienstwagen mit den Kolleginnen und Kollegen geteilt werden oder indem auf Carsharing-Angebote zurückgegriffen wird. Als weitere Alternative wird in den Handlungsempfehlungen das Konzept des Poolings genannt, also eines durch unterschiedliche Firmen gemeinsam genutzten Fuhrparks. Zusätzlich können sich die Zufallsbürgerinnen und -bürger vorstellen, Mobilitätsstationen, wie es sie bereits in der Kernstadt und in Kork gibt, auch in Gewerbegebieten zu installieren, die von Firmenmitarbeitenden mitgenutzt werden können.

Eine wiederkehrende Frage, die in sämtlichen der fünf Handlungsfelder aufgeworfen wurde, war jene nach der Informationsvermittlung. Nach eigenem Bekunden fällt es den Anwesenden schwer, Wissen über Beratungsangebote oder Förderprogramme im Internet zu finden. Als Positivbeispiel wurde in diesem Zusammenhang der städtische Infocast genannt, in dem Umwelt- und Klimaschutz sowie Nachhaltigkeitsprojekte der Stadt regelmäßig thematisiert werden. Die beiden städtischen Klimaschutz- und Klimaanpassungsmanagerinnen Sofia Späth und Christine Gerardin fungieren außerdem als Anlaufstelle und helfen weiter oder vermitteln bei Fragen an die passenden Stellen. Die Bürgerinnen und Bürger können bei Fragen stets an die Email-Adresse klimaschutz@stadt-kehl.de schreiben.

Verwaltung erarbeitet Sparvorschläge in fünf Themenbereichen

Energieeinsparmöglichkeiten beim Heizen städtischer Gebäude, beim kommunalen Fuhrpark, bei der Beleuchtung und bis hin zu Dienstreisen standen bei der Klimawerkstatt für Führungskräfte der Stadtverwaltung im Fokus. Die Veranstaltung hatte eine Doppelfunktion: Die zusammengetragenen Informationen fließen in die Erstellung des städtischen Klimaschutzkonzepts ein, werden aber auch für den European Energy Award (eea) genutzt. Dabei handelt es sich um ein Qualitätsmanagement- und Zertifizierungssystem im Klimaschutzbereich, an dem die Stadt seit 2018 teilnimmt und in dem sie 2021 die Zertifizierung erhalten hat.

Auch Führungskräfte der Verwaltung beteiligten sich fachübergreifend in einem Workshop an der Erarbeitung des Klimaschutzkonzepts.

Das mit Abstand größte Einsparpotenzial der Stadt liegt im Gebäudemanagement. Denn über die städtischen Liegenschaften werden derzeit jährlich noch 4133 Tonnen des klimaschädlichen CO<sub>2 </sub>emittiert, während beispielsweise der stadteigene Fuhrpark nur mit sechs Prozent zum Treibhausgasausstoß der Stadt beiträgt.
Erklärtes Ziel ist es daher, den Wärmeverbrauch in den Gebäuden auf 50 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr zu begrenzen.

Deshalb haben sich die Mitarbeitenden im vierstündigen Workshop mit den Themenfeldern Kommunale Gebäude und Anlagen, Ver- und Entsorgung, Entwicklung und Raumordnung, Mobilität sowie Kommunikation und Kooperation beschäftigt. Wichtige Beispiele für die in der Veranstaltungen erarbeiteten Maßnahmen sind: die Erarbeitung eines integrierten Mobilitätskonzepts für alle Einwohnerinnen und Einwohner, die Produktion von klimaneutraler Wärme durch Photovoltaikanlagen nicht nur auf Dächern, sondern auch in der Fläche, ein Fuhrparkmanagement, die Umstellung nicht nur der Straßenlaternen, sondern der Beleuchtung im Stadtgebiet insgesamt auf LED (also inklusive beispielsweise von Schaufenstern) und nicht zuletzt eine intensive Vernetzung, die einen guten Informationsfluss garantiert.

Erste Klimawerkstatt: Jede Menge Ideen für Klimaschutz in Kehl

Wie kann die Stadt, die Wirtschaft, die Landwirtschaft, wie können die Menschen in Kehl einen Beitrag zum Klimaschutz leisten? Mit dieser Frage setzten sich 40 per Zufallsgenerator aus dem Einwohnerverzeichnis ausgewählte Kehlerinnen und Kehler am Dienstagabend (8. April) auseinander. Die Vorschläge, welche in der ersten Klimawerkstatt die meisten Punkte bekamen, werden bei einem zweiten Termin im Mai vertieft, will heißen, weiter ausgearbeitet und sollen dann ins neue Klimaschutzkonzept der Stadt einfließen.

Wie kann in Kehl das Klima geschützt werden? In fünf Themenfelder wurden Vorschläge gesammelt und mit Klebepunkten priorisiert.

„Wir können in Kehl nicht die Welt retten“, sagte Oberbürgermeister Wolfram Britz bei der Begrüßung im Dachgeschoss der Villa RiWa, „aber wir können einen kleinen Beitrag zum Klimaschutz leisten“. Dass dieser vielleicht doch gar nicht so klein ausfällt, darauf wies Sarah Schüürmann von der Energieagentur Regio Freiburg bei der Einführung in den Abend hin: Der größte Energieverbrauch betreffe die Wärme, die zum Heizen eingesetzt werde. Bis 2040 „könnten wir ein Drittel davon einsparen, wenn alle mitmachen“. Und ums Mitmachen ging es dann auch den Großteil des Abends über: Die Teilnehmenden aus der Kernstadt und einigen Ortschaften konnten sich aus fünf Themenfeldern zwei auswählen und in der Gruppe überlegen, wie ganz konkret in Kehl Energie gespart und das Klima geschützt werden könnte.

Konsumverhalten

Damit die Kehlerinnen und Kehler klimaschonender konsumieren können, wünschten sich die Teilnehmenden an der Klimawerkstatt beispielsweise ein Mehrwegkonzept für die Stadt. Einen Nachtmarkt und Selbstbedienungsautomaten für regionale Produkte hielten vor allem diejenigen für wichtig, deren Arbeitszeiten es verhindern, dass sie den Wochenmarkt dienstags und freitags besuchen können. Andere bedauerten, dass es in Kehl keinen Bio- und keinen Unverpackt-Laden mehr gibt und regten ein Second-Hand-Kaufhaus in zentraler Lage in der Innenstadt ebenso an wie mehr lokale Flohmärkte. Gemeinsam mit einem Second-Hand-Kaufhaus könnten Sperrmülltage gemeinsam als Event organisiert werden. Angeregt wurden mehr Kantinen an Schulen und Kitas – oder für die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung –, die vegetarische oder vegane Kost anbieten sollten.

In den beiden Gruppen, die sich mit dem Konsumverhalten beschäftigten, spielte auch der Bereich Bildung eine wichtige Rolle: Schon in Kitas und Schulen müsse über die Auswirkungen von Ernährung und Konsum auf das Klima aufgeklärt werden – und zwar regelmäßig, zum Beispiel im Rahmen eines Klimafrühstücks. In einer Elternschule sollten Informationen zu Themen wie Elterntaxis oder dem Überfluss an Kleidung vermittelt werden. Weitere Bildungsangebote zu Möglichkeiten des Klimaschutzes könnten auch über die Volkshochschule vermittelt werden, hieß es.

Vor allem beim Heizen besteht in Kehl ein hohes Einsparpotenzial. Die Teilnehmenden an der Klimawerkstatt machten zahlreiche Vorschläge dazu, wie an und in Gebäuden Energie gespart werden könnte.

Wirtschaft

Zahlreich waren die Ideen auch dazu, wie die Wirtschaft ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten – und dabei auch unterstützt werden könnte. So könnten Unternehmen mit Sonderabschreibungsmöglichkeiten dazu motiviert werden, ihre Gebäude zu dämmen und Photovoltaikanlagen aufs Dach zu setzen. Fördermittel für den Austausch oder die Optimierung der Heizkessel oder eine Verdopplung der Einspeisevergütung für Solarstrom könnten ebenfalls einen Schub bringen, meinen Teilnehmende an der Klimawerkstatt. Mobilitätsstationen im Umfeld von Unternehmen, kostenlose Monatskarten für den Öffentlichen Nahverkehr für die Mitarbeitenden und ein von den Firmen eingerichteter Carsharing-Pool könnten dazu beitragen, die vom motorisierten Verkehr herrührende Luftbelastung zu reduzieren.
Von der Stadt wünschten sich die zufällig ausgewählten Einwohnerinnen und Einwohner Vorgaben für eine umfangreichere Begrünung von Gewerbegebieten, mehr mit Solarmodulen überdachte Flächen, mehr Unterstützung für die Handwerker und Vorgaben zu Türschleusen in Eingangsbereichen von Geschäften, damit weniger Wärme verloren gehe. Die Nutzung von Abwärme der Industrie, die Forcierung von Kraft-Wärme-Kopplung und der Ausbau der Wärmenetze wird von den Teilnehmenden als wichtig angesehen. Mehrere Punkte erhielt zudem der Vorschlag, in den Unternehmen einen Climate day einzuführen: Beschäftigte sollten einen Tag frei bekommen, wenn sie sich an einer Klimaschutzaktion beteiligen.

Mitarbeitende der Stadt, wie Klimaschutzmanagerin Sofia Späth, und der Energieagenturen nahmen die Vorschläge der Teilnehmenden auf und pinnten sie an die Stellwände.

Mobilität

Von selbstfahrenden über strombetriebene Busse, bessere Busverbindungen, Ruftaxis und der Weiterführung der Tram nach Sundheim bis zum kostenlosen öffentlichen Nahverkehr reichten die Wünsche in den beiden Mobilitätsgruppen. Mehr sichere Radwege auf abgetrennten Spuren, mehr Radabstellanlagen und der Ausbau der Leihradstationen könnten den Umstieg aufs Fahrrad beflügeln, meinten einige. Angeregt wurden zudem Halteverbote für Autos vor Schulen, damit Eltern ihre Kinder sicher mit dem Fahrrad zum Unterricht bringen können, sowie mehr Kontrollen in Tempo-30-Zonen, Schwellen in der Hauptstraße und mehr Strafzettel für In-der-zweiten-Reihe-Parker.

Gebäude und erneuerbare Energien

Was das Energiesparen im und am Gebäude angeht, so war der Informationsbedarf bei den Teilnehmenden an der Klimawerkstatt groß: Ob Photovoltaikanlagen, Möglichkeiten zum Wassersparen, begrünte Hauswände oder Entsiegelung von befestigten Flächen – in allen Fällen wünschten sich die Kehlerinnen und Kehler direkte Ansprache, mehr Aufklärung über die technischen Möglichkeiten und das Angebot an Fördermitteln. Ein in mehrerlei Hinsicht diskutiertes Thema war die Straßenbeleuchtung: Die Vorschläge reichten von der Steuerung über Bewegungsmelder, generell geringerer Helligkeit der Leuchten bis hin zum Betrieb der Straßenbeleuchtung über Photovoltaikanlagen. Auch Flutlichtanlagen von Sportplätzen sollten in den Blick genommen werden, hieß es.

Damit mehr CO₂ aus der Luft gespeichert wird, schlugen einige der Teilnehmenden vor, brachliegende Flächen mit Mischwald aufzuforsten, Streuobstwiesen zu erhalten oder neu anzulegen, den Anbau von Bio-Produkten zu fördern sowie den Erhalt von Bäumen und Grünflächen bei Neubauvorhaben festzuschreiben.

Info

Die Erarbeitung des Klimaschutzkonzeptes der Stadt Kehl als sogenanntes Vorreiterkonzept wird von der Ortenauer Energieagentur und der Energieagentur Regio Freiburg begleitet. Federführend bei der Stadt Kehl ist die Stabsstelle für nachhaltige Stadtentwicklung mit den Klimaschutzmanagerinnen Sofia Späth und Christine Gerardin.