Grenzkontrollen

Grenzkontrollen sind keine Grenzschließung: Am Rheinübergang Straßburg-Kehl bleibt es ruhig

An der Haltestelle Bahnhof steigen Bundespolizistinnen und -polizisten sechs Monate lang in die Tram und fahren mit bis zum Rathaus. Das soll verhindern, dass durch die seit am 16. September wieder geltenden Grenzkontrollen auf der Tramlinie D Verspätungen entstehen.

Die Medienvertreterinnen und -vertreter sind im Bereich der Europabrücke am frühen Morgen zahlreicher als die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei. Der Autoverkehr fließt spärlicher als gewohnt; auch die Tramzüge sind weniger stark frequentiert. Die Nachricht, dass die Bundesrepublik Deutschland auch am Rheinübergang von Straßburg nach Kehl die Grenzkontrollen wieder aufnimmt, scheint, so interpretiert es Tobias Lehmann, Leiter der Bundespolizeiinspektion Offenburg, einige Einwohnerinnen und Einwohner des Großraums Straßburg davon abzuhalten, nach Kehl zu fahren. Dabei sind die Grenzkontrollen keine Grenzschließung, diese Feststellung ist Tobias Lehmann wichtig: „Es geht um die Kontrolle irregulärer Migration.“

Die Ankündigung der Kontrollen an der Europabrücke haben für zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner des rheinüberschreitenden Lebensraum offenbar die Erinnerungen an die dreimonatige Grenzschließung zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wieder lebendig werden lassen. Damals durften nur Grenzpendler, die in systemrelevanten Bereichen auf der jeweils anderen Rheinseite arbeiteten den Fluss überqueren; auf Straßburg und Kehl verteilte Familienmitglieder oder Paare ohne gemeinsamen Wohnsitz konnten sich über elf Wochen hinweg nicht sehen.

Die jetzige Situation ist eine ganz andere: Die Bundespolizei kontrolliert den Autoverkehr stichprobenartig; Passagiere von Tram und Ortenau-S-Bahn werden am Bahnsteig oder in den Zügen aufgefordert, ihren Ausweis zu zeigen. Die Kontrollen, sagt Tobias Lehmann, werden so gehalten, dass im öffentlichen Nahverkehr keine Verspätungen produziert werden. Im Prinzip unterscheiden sich die Maßnahmen, die für die nächsten sechs Monate gelten, kaum von den Kontrollen, die während der Fußballeuropameisterschaft und der Olympiade bereits ausgeführt wurden.

Oberbürgermeister Wolfram Britz (rechts) tauschte sich mit dem Leiter der Bundespolizeiinspektion Offenburg, Tobias Lehmann, aus.

Um die Mittagszeit hat sich am Montag Oberbürgermeister Wolfram Britz mit Tobias Lehmann getroffen, um sich ein Bild von der Situation an der Europabrücke, am Kehler Bahnhof und an der Tramhaltestelle vor dem Bahnhof zu machen. „Uns ist es wichtig, dass die Mobilität und das Zusammenleben unserer Einwohnerinnen und Einwohner nicht behindert oder eingeschränkt wird“, erklärte der OB. In der aktuellen Lage sieht Tobias Lehmann keinen Grund, weshalb das der Fall sein könnte: „Die Menschen werden schnell merken, dass die Grenze passierbar ist“, gibt er sich überzeugt.

Über die aktuelle Situation am ersten Tag der neuen Grenzkontrollen hat Wolfram Britz auch seine Straßburger Amtskollegin Jeanne Barseghian informiert.

Jeanne Barseghian und Wolfram Britz nehmen Stellung zu den seit Montag stattfindenden Grenzkontrollen

An der deutsch-französischen Grenze werden seit Montag, 16. September, Kontrollen durchgeführt. Der Kehler Oberbürgermeister Wolfram Britz und seine Straßburger Amtskollegin nehmen Stellung dazu und fordern die Bundes- und die Landesregierung auf , "diese Kontrollen auf ein Maß zu beschränken, das die Mobilität, das grenzübergreifende Zusammenleben und Miteinander unserer Einwohnerinnen und Einwohner nicht behindert oder einschränkt".

Auch in der grenzüberschreitenden Tram zwischen Kehl und Straßburg kontrollieren die Beamten der Bundespolizei. 

Der Text der gemeinsamen Erklärung im Wortlaut

„Vor mehr als 30 Jahren haben uns unsere Nationalstaaten aufgefordert, im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in unserem Grenzraum gemeinsame Infrastruktur zu schaffen.

Kehl und Straßburg haben diese Aufforderung seither als Aufgabe begriffen und ihre Kooperation so intensiviert, dass der Rhein vom Grenzfluss zum integralen Bestandteil des gemeinsamen Lebensraumes wurde. Grenzüberschreitende Lebensentwürfe sind bei uns Alltag.

Am Samstag haben wir mit einem großen Fest das 20-jährige Bestehen des Gartens der zwei Ufer und der Passerelle des deux Rives gefeiert. 2014 haben wir die deutsch-französische und grenzüberschreitende Kinderkrippe eröffnet; seit 2017 fährt die Tram über den Rhein. Derzeit arbeiten wir an einem in Europa einzigartigen Projekt der Fernwärmeversorgung: Wir wollen die Abwärme der Badischen Stahlwerke im Kehler Hafen nutzen, um Haushalte in Straßburg und Kehl mit Wärme zu versorgen und gleichzeitig pro Jahr 19 600 Tonnen des klimaschädlichen CO<sub>2</sub> einzusparen.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, so hat uns die dreimonatige Grenzschließung zu Beginn der Corona-Pandemie auf schmerzhafte Weise gezeigt, dass unser gemeinsamer Lebensraum nur noch als Einheit funktioniert.

Wenn nun am Montag an der Europabrücke, in der Tram und in der Ortenau-S-Bahn die Grenzkontrollen wieder aufgenommen werden, so fordern wir die deutsche Bundesregierung sowie die Landesregierung von Baden-Württemberg auf, diese Kontrollen auf ein Maß zu beschränken, das die Mobilität, das grenzübergreifende Zusammenleben und Miteinander unserer Einwohnerinnen und Einwohner nicht behindert oder einschränkt.

Wir fordern außerdem, dass wir sowie unsere lokalen und grenzüberschreitenden Instanzen regelmäßig zur Umsetzung solcher Maßnahmen konsultiert werden."