Immer wieder Hilti

„Hilti, wie die Bohrmaschine“ oder: Wenn das Ferienprogramm zum Ehemaligentreff wird

Tristan Busch, gerade 26 Jahre alt und „fast fertig mit dem Informatikstudium“; Kristian Klumpp, 32, Doktortitel in Atmosphären-Chemie mit Arbeitsplatz in der Schweiz. Sie sitzen am Holztisch auf der Terrasse des Hauses der Jugend und tauschen aus, was im vergangenen Jahr passiert ist in ihrem Leben. Drumherum wuseln jede Menge Kinder. Es ist laut. Es ist Ferienspaß im Haus der Jugend. Kristian und Tristan waren als Kinder selber Teilnehmer und als Jugendliche Betreuer. Beides liegt schon ein Weilchen zurück (bei Tristan weniger, bei Kristian mehr), aber sie kommen jedes Jahr zurück. Aus alter Verbundenheit und: wegen Hilti.

Töpfern mit Hilti (links) beim Ferienprogramm im Haus der Jugend: Tristan (im Vordergrund) und Kristian (sitzend im Hintergrund) haben das zuerst als Teilnehmer und dann als Betreuer erlebt. Bis heute kommen sie im Sommer zu Besuch.

„Hilti, wie die Bohrmaschine“, stellt sich die 77-Jährige vor. Eigentlich heißt sie Hielta Schlifkowitz, aber das weiß von den etwa 60 Kindern, die an diesem Mittwoch am Ferienspaß teilnehmen, vermutlich niemand. Seit 27 Jahren töpfert sie mittwochs in allen drei Ferienspaßwochen mit den Jungen und Mädchen. Hilti war schon da, als Tristan als Siebenjähriger erstmals am Ferienspaß teilnahm („Ich hab‘ von sieben bis zwölf das komplette Programm mitgemacht.“), und natürlich war sie da, als der zehnjährige Kristian hinzukam. Ihm blieben nur zwei Jahre, bis er die Altersgrenze erreichte, doch die haben ausgereicht, dass er weitere zwei Jahre später wiederkam, um das Betreuerteam zu unterstützen. Mit 16 war er alt genug, um als Ferienjobber zum vollwertigen Mitglied des Teams zu werden. Seit zehn Jahren kommt er in jeden Sommerferien – die Pause währen der Corona-Pandemie ausgenommen – wieder. Wie Tristan, der 2013 als Betreuer eingestiegen ist und bis zum vergangenen Sommer Teil des Teams war.

Jetzt kehren sie eben als Besucher zurück. Auch wegen Hilti. Tristan und Kristian gehörten immer zu Hiltis Gruppe. Als Kinder, weil das Töpfern einfach Spaß gemacht hat. Tristan hat heute noch Dinos und Tassen zu Hause, die er damals geformt hat – „und Pokemons“. Die meisten hat er mitgenommen, ohne dass sie gebrannt worden waren. Kristian hat seine Werke aus Kindertagen nicht mehr. „Viel wichtiger war es, das zu machen“, sagt er heute, „ob sie dann kaputt gingen oder im Regal standen, war für mich zweitrangig“. Hilti sieht das auch so: „Es gibt Kinder, die matschen nur rum. Das ist auch gut. Das ist Entspannung.“ In einem Jahr, erinnert sie sich, hatte sie nur alten Ton. Sie füllte die Tonreste in eine große Wanne „und dann haben wir für Molche eine kleine Pfütze gebaut“.

Hilti hat die Jungs „gescheucht“, wie sie selber sagt. „Hol mir mal“, war so ein Satz, den die beiden oft gehört haben.  „Sie haben mir den schweren Ton getragen“, erklärt Hilti; in ihrer Stimme schwingt Dankbarkeit mit. Die drei sind sich einig. „Es war immer cool hier zu sein“, findet Kristian, „das ist so ein Nostalgie-Ding“. „Es war immer witzig, es hat mit den Kindern viel Spaß gemacht“, ergänzt Tristan. Einmal in 25 Jahren, das war im vergangenen Sommer, musste das Montags- und Mittwochsprogramm beim Ferienspaß aus organisatorischen Gründen getauscht werden. Kristian kam, wie immer mittwochs zu Besuch – und verpasste Hilti. „Das war traurig“, erinnert sich die 77-Jährige. „Aber Kristian hat mir dann ein Foto geschickt.“

Die Vielzahl der bemalten getöpferten Schalen zeigt: Der Mittwoch mit Hilti ist eine Attraktion.

Kristian und Tristan sind nicht die einzigen Ferienspaßteilnehmer, die danach in die Rolle der Betreuer geschlüpft sind und die immer wieder vorbeischauen. Was macht die Faszination aus? „Es hat viel mit den Betreuern zu tun“, mit Hilti, mit Alex (Neumann). Entscheidend ist aber: „Die Kinder gehören zum Mix.“ Kristian hatte eigentlich Physik und Chemie fürs Lehramt studiert, auch weil er dachte, „dass ich die Erfahrungen, die ich hier gesammelt habe, wenigstens ein bisschen übertragen kann“. Während des Referendariats begann er zu zweifeln: „Hier kommen die Kinder zu einem, beschäftigen sich mit dem, was man gemeinsam macht. Man hat sofort eine Beziehung. Hier wird niemand zu etwas gezwungen.“ Wenn die Kinder sehen, dass der Betreuer, zum Beispiel das Töpfern, auch zu lernen versucht, „bildet das eine Brücke“. Weil er das in der Schule so anders erlebt hat, entschied er für sich: „Physiker machen auch interessantes Zeug.“ „Es waren immer drei Wochen Spaß“, sagt Tristan. „Danach war man vielleicht mal platt.“ „Es war eine gute Art von Anstrengung“, ergänzt Kristian. „Kris hat auf mich aufgepasst“, erzählt Tristan. „Jetzt treffe ich hier Betreuerinnen, auf die ich aufgepasst habe. Es ist eine Schleife.“

Eine Schleife gibt es auch für Hilti. Dass sie nach 27 Jahren immer noch zum Ferienspaß kommt, „hat viel mit Alex zu tun; Alex hat mich ja adoptiert“, lacht sie. Getroffen haben sich die beiden im Wasserschloss von Oberderdingen bei Bretten, wo sie von 1995 bis 1998 die berufsbegleitende Ausbildung zum Jugend- und Heimerzieher absolviert haben. „Wir waren die einzigen aus der offenen Jugendarbeit; es war von Anfang an eine Verbindung da.“ Zu Beginn hatte Hilti Bedenken, ob die Kinder sich noch auf sie einlassen würden – „ich bin ja die Oma“. Allein die vielen der von Kinderhand bemalten Tonschälchen, die auf einem Tisch darauf warten, dass sie in den Ofen geschoben werden, widerlegen diese Befürchtung. Das Zusammensein mit Hilti ist immer mehr als Töpfern; es sind auch – oder vor allem? – die Gespräche. „Sie hat mir beigebracht, mit dem zufrieden zu sein, was ich kann“, sagt Kristian. Hiltis blaue Augen strahlen.

Kaum ist die Mittagspause zu Ende, sitzen die Kinder wieder am Tisch und erwarten Hilti. Und Tristan und Kristian gesellen sich dazu.