Kampf gegen die Ameise

Kampf gegen Tapinoma magnum: 30 betroffene Kommunen tagen mit Umweltexperten in Kehl

Vertreterinnen und Vertreter aus 30 betroffenen Kommunen haben sich am Montag (18. August) im Kehler Kulturhaus gemeinsam mit Expertinnen und Experten mit Tapinoma magnum beschäftigt und ihre Erfahrungen im Kampf gegen die invasiven und zerstörerischen schwarzen Krabbler ausgetauscht. Dabei ging es sowohl um die in Kehl praktizierte Bekämpfung mit heißem Wasser als auch um den Einsatz von Bioziden. Unter den Referenten war auch der Tapinoma-magnum-Spezialist Manfred Verhaagh. Am Ende des Vormittags wünschten sich wohl die meisten deutschen Teilnehmenden Schweizer Verhältnisse; am Nachmittag schauten sich die Fachleute aus dem Kanton Zürich, aus Baden-Württemberg und aus Straßburg in Neumühl drei Heißwassergeräte im praktischen Einsatz an.

Morgens Theorie, am Nachmittag Praxis: In Neumühl, wo Tapinoma magnum eine Superkolonie gebildet hat, schauten sich die Seminarteilnehmer drei Heißwassergeräte im Einsatz an.

Ursprünglich sollte es nur ein Treffen zwischen betroffenen Kommunen aus dem Kanton Zürich und der Stadt Kehl werden. Die Schweizer wollten sich anschauen, wie Tapinoma magnum in der Rheinstadt mit heißem Wasser bekämpft wird. Doch dann überzeugte Dr. Daniel Fischer vom Cercle exotique den Kehler Umweltbeauftragten Gregor Koschate von der Idee, ein Seminar zu veranstalten und dieses für andere von der invasiven Ameise heimgesuchte Kommunen zu öffnen. Und traf damit ganz offensichtlich einen Bedarf: Bei 55 Anmeldungen musste die im Bürgersaal des Rathauses geplante Konferenz ins Kulturhaus verlegt werden.

Daniel Fischer stellte zu Beginn des Seminars dar, dass es in der Schweiz bereits gibt, worauf die betroffenen Städte und Gemeinden hierzulande noch hoffen: Die Einstufung von Tapinoma magnum als gebietsfremde Art, für deren Bekämpfung es einer nationalen Strategie bedarf. Wie diese umgesetzt wird, erläuterte er, sei Sache der Kantone. Diese erarbeiten in ihren Neobiota-Fachstellen Handlungsempfehlungen für die betroffenen Kommunen – allein im Kanton Zürich sind es zehn. Die Umweltbeauftragten der Fachstellen legen Befallszonen fest und geben Empfehlungen zur Bekämpfung auf den entsprechenden Flächen. Ob diese dann befolgt werden, ist Sache der Kommunen und der Grundstückseigentümer. Darüber hinaus macht der Kanton Gartencentern Auflagen und kontrolliert diese. Das bedeutet, dass im Falle von Tapinoma-magnum-Funden in Pflanzballen Verkaufsverbote erlassen werden, die so lange gelten, bis die jeweiligen Betriebe wieder ameisenfrei sind.

Weil insgesamt 55 Personen am Tapinoma-magnum-Seminar teilnahmen, musste die Gruppe in den Saal des Kulturhauses ausweichen.

Im Anschluss erläuterte Dr. Sämi Schär, Ameisenforscher und Vizepräsident der entomologischen Gesellschaft Zürich, auf welche Weise das Monitoring auf Verdachtsflächen im Kanton Zürich erfolgt. Ebenfalls aus der Schweiz angereist waren der Präsident und die Chefbiologin des Verbands Schweizer Schädlingsbekämpfer. Sie beschrieben, wie betroffenen Flächen mit Bioziden behandelt werden können. Anschließend gab der renommierte Tapinoma-magnum-Experte Dr. Manfred Verhaagh einen Überblick über die Situation in den betroffenen Gemeinden in Baden-Württemberg. Während Gregor Koschate die Kehler Vorgehensweise gegen Tapinoma magnum mit einem mindestens wöchentlichen Einsatz des stadteigenen Heißwassergeräts in Kehl erläuterte, stellte Patrick Gerlach, Geschäftsführer der in Neustadt Weinstraße ansässigen Firma Defensia, einen Überblick über alternative Bekämpfungsmethoden mit Kieselgur, Nematoden und Bioziden.

Die Referenten des Tages (von links): Dr. Manfred Verhaagh, Dr. Daniel Fischer, Dr. Sämi Schär und Gregor Koschate

Den Nachmittag verbrachten die Seminarteilnehmenden in Neumühl und schauten sich vor Ort zwei Heißwassergeräte einer österreichischen Firma an, die mit noch höheren Temperaturen arbeiten als das in Kehl eingesetzte Modell: Das Wasser-Dampf-Gemisch in den ebenfalls transportablen Geräten wird auf 120 Grad erhitzt und mit hohem Druck in den Boden gespritzt. Die Einstichstelle wird dabei mit einem isolierenden Gummilappen abgedeckt. Entlang einer Abgrenzung aus Betonsteinen wurden zunächst mit einer Bohrmaschine zwei Löcher in den harten Boden gebohrt. Kurz nachdem das heiße Wasser mit einem Druck von bis zu sechs bar in das eine Loch gepresst worden war, sprudelten aus dem anderen Ameiseneier an die Oberfläche.

Klaus Leibiger vom städtischen Betriebshof demonstrierte die Funktionsweise des in Kehl eingesetzten Geräts und berichtete den Teilnehmenden von seiner einjährigen Erfahrung: Wenn er die Lanze in den Boden drückt, spürt er inzwischen genau, wenn er ein großes Nest gefunden hat. „Wenn es ganz weich wird“, flutet er die Höhle mit 93 Grad heißem Wasser und wartet dann etwa zehn Minuten bis er den Vorgang wiederholt, um möglichst auch die Ameisen zu erwischen, die hektisch versuchen, ihre Eier in Sicherheit zu bringen. Der Erfolg der Bekämpfung, machte Gregor Koschate seinen Kolleginnen und Kollegen deutlich, hänge entscheidend von der Regelmäßigkeit der Bekämpfung ab. „Es ist ganz wichtig, dass man jede Woche vorbeikommt – von Februar bis November.“ 

Die Stadt macht Ameisen Dampf: Erdreich wird vor der Entsorgung behandelt

Die Stadt hat den invasiven Ameisen in Marlen im Mai Dampf gemacht – und das im Wortsinn: Eine Firma aus Durbach und ein Lohndampfunternehmen aus Hohenfels haben innerhalb einer Woche rund 300 Kubikmeter Sand auf dem Spielplatz Im Löhl mit heißem Dampf behandelt. Der Grund für das mehrtägige Unterfangen: Nur ameisenfrei kann der Aushub auf eine Deponie gebracht werden. 

Der weitgehend aus Sand bestehende Erdaushub auf dem Marlener Spielplatz wird mit heißem Dampf ameisenfrei gemacht.

Einzig ein verbliebenes Klettergerüst erinnert noch daran, dass auf dem Platz Im Löhl einmal Kinder spielen konnten. Stattdessen ziehen sich am Dienstag (13. Mai 2025) sogenannte Mieten – also in Bahnen aufgeschüttete Sandhaufen – über das Areal. Mitarbeitende des Betriebshofs und eines Mitarbeitenden des Lohndampfunternehmens aus Hohenfels konstruieren rings um die großen Aushübe eine Art oberirdische Rohrleitung. Sie ist verbunden mit einem mobilen Hochleistungsdampfkessel. Kaum sind die Rohre verlegt und die Miete mit einer grünen Plastikplane abgedeckt, wird der Dampf in die Sandhaufen geleitet. Binnen kürzester Zeit erhitzt sich das abgedeckte Bodenmaterial so auf bis zu 90 Grad Celsius. Der Dampf wandert durch den vorab gelockerten Sand und desinfiziert alles auf seinem Weg. „Alles an organischem Material wird denaturiert“, beschreibt der Unternehmer aus Durbach, Thomas Seifert, den Prozess. Üblicherweise betrifft das Schädlinge wie Pilze oder Fadenwürmer. Aber auch Ameisen (wenngleich keine Tapinoma magnum) wurden mit dieser Dämpftechnik bereits bekämpft. Das Verfahren gilt als besonders umweltschonend, weil in dem Hochleistungskessel lediglich Wasser verdampft wird. Und dieser Wasserdampf hat noch einen weiteren Vorteil. Die feuchte Hitze sorgt dafür, dass das behandelte Material aufquillt und Risse bildet, durch die der Dampf tiefer eindringen kann. Im Fall des Spielplatzes Im Löhl helfen die invasiven Ameisen sogar unfreiwillig bei ihrer eigenen Bedampfung mit: Durch die Tunnel der Tiere kann der Dampf leichter tiefer in den Sand eindringen. Über einen Zeitraum von sechs Stunden wird der Wasserdampf in die Mieten eingeleitet. Dabei werden rund zwei Tonnen Wasser je Stunde verdampft. Der behandelte Sand wird am Folgetag von den Mitarbeitenden des Betriebshofs zur Deponie abtransportiert – und ist dann immer noch heiß.

Der sanierte und umgestaltete Spielplatz wurde am 12. August wieder eröffnet.

Weitere Informationen

In einem Flyer (1,4 MB) hat die Stadt sämtliche Informationen zur Vorbeugung eines Ameisenbefalls sowie zur Erkennung und wirksamen Bekämpfung von Tapinoma-magnum-Populationen zusammengefasst.

Mit Heißwassergerät die Tapinoma-Magnum-Plage eingedämmt

Im Kampf gegen die Tapinoma Magnum hat die Stadt im Frühherbst 2024 selbst die Initiative ergriffen und ein Heißwassersprühgerät angeschafft, um die Superkolonien der eingeschleppten Ameise in Eigenregie einzudämmen. Die Kosten für die Ausrüstung beliefen sich auf rund 60 000 Euro. Zwar macht sich Umweltbeauftragter Gregor Koschate keine Hoffnung, dass es gelingt, Tapinoma Magnum in Kehl noch einmal auszurotten, eine Eindämmung ihrer Aktivität scheint durch die intensive Bekämpfung durch Mitarbeitende des Betriebshofs nach den derzeitigen Erfahrungen jedoch möglich. Aktuell ruht die Bekämpfung: Die Ameisen haben sich witterungsbedingt zurückgezogen. (mit Video)

Fast kochend heißes Wasser wird aus einer Lanze dort ins Erdreich gesprüht, wo ein Ameisenbau ausgemacht wurde. Das seitlich austretende Wasser soll die Gänge zerstören.

Im Herbst 2023 hatte es eine von der Stadt beauftragte Schädlingsbekämpfungsfirma aus Darmstadt mit den Ameisen in Marlen aufgenommen. Das Problem dabei war, dass die Bekämpfung durch die Fachfirma nur unregelmäßig erfolgte und zudem hohe Kosten verursachte. Weil es in der näheren Umgebung kein Unternehmen gibt, welches Erfahrung mit Tapinoma Magnum hat, kümmert sich der städtische Betriebshof nun selbst um die äußerst lästigen Krabbler. Ist ein Nest (das sich in bis zu einem Meter Tiefe im Boden befinden kann) ausfindig gemacht, sticht der Mitarbeiter die Lanze möglichst tief ins Erdreich. Mit geringem Druck fließt fast kochend heißes Wasser nicht nur aus der Lanze in den Ameisenbau, wo sich die Eier befinden, sondern aus feinen Düsen auch in die Gänge, um diese möglichst zu zerstören.

Ob in den Ritzen der Gehsteige, in Baumscheiben, in Einfahrten oder auf Parkplätzen: Die kleinen schwarzen Ameisen waren im Bereich Löhl in Marlen nahezu allgegenwärtig. Vielerorts deuteten aufgelockerte Erdhäufchen und Unebenheiten auf die Plagegeister hin; an vielen Stellen wuselte es auf Gehwegen, auf Grünflächen, auf Terrassen und in privaten Gärten.  Sobald Gregor Koschate nur mit der Schutzspitze über sandige Flächen strich, strömten Hunderte von Tieren heraus.

Über den Sommer und den Herbst haben die Mitarbeiter des Betriebshofs Erfahrungen in der Ameisenbekämpfung gesammelt. „Am wichtigsten ist es, jene Stellen zu identifizieren, an denen sich besonders viele Ameisen und – sehr wichtig – deren Eier verbergen könnten“, erläutert Gregor Koschate. Auch lernten die Betriebshofmitarbeiter einzuschätzen, wie viele Bekämpfungszyklen nötig und sinnvoll sind, zu welchen Tageszeiten und bei welchen Wetterlagen und Temperaturen. „Auch die Jahreszeiten spielen eine Rolle“, weiß der städtische Umweltreferent. Im Winter sind die Tiere langsamer und bleiben eher an ihren Standorten, während sie bei warmen Temperaturen agiler sind und ihren Aktionsradius vergrößern.

Durch die dichter getakteten Bekämpfungszyklen – über viele Wochen hinweg an zwei bis drei Tagen – zeigten sich Erfolge. „Klar ist aber auch“, bedauert Gregor Koschate, „das Problem mit der Tapinoma Magnum wird Kehl nicht im Alleingang lösen; es wird uns noch lange beschäftigen“. Dass das Land inzwischen eine Studie in Auftrag gegeben hat, begrüßt er, schnelle Hilfe werde aber die aber nicht bringen. Ein Einfuhrstopp aus dem westlichen Nordafrika und Süditalien oder zumindest eine systematische Kontrolle der Pflanzballen würde ihm – und den betroffenen Anwohnern – deutlich mehr Anlass zur Hoffnung geben.

Die Bekämpfung im Video

Spielplatz Im Löhl in Marlen aus Sicherheitsgründen gesperrt

Der Spielplatz Im Löhl in Marlen wird von Montag, 12. August 2024, an gesperrt, weil sich der Pflasterbelag mehr und mehr hebt. Die ohnehin geplante Erneuerung der Spielgeräte wird frühestens ab Ende Oktober erfolgen können. Grund dafür sind die Ameisen Tapinoma magnum.

Die Unebenheiten im Pflasterbelag auf dem stark von Ameisen besiedelten Marlener Spielplatz werden immer größer, hat der Betriebshof festgestellt. Das liegt zum einen an den Unterhöhlungen durch die eingeschleppte Ameisenart, die den Spielplatz komplett besiedelt hat, und zum anderen an deren Bekämpfung. Dabei wird nahezu kochend heißes Wasser unter die Platten in die Gänge der Ameisen gespritzt, um die Nester zu erreichen, die sich in bis zu einem Meter Tiefe darunter befinden. Immer wieder heben auch neugierige Spielplatzbesucher die Steine an, um das Ameisengewusel aus der Nähe zu bestaunen. Inzwischen birgt der Zustand des Pflasters ein Sicherheitsrisiko, weshalb der Spielplatz nun gesperrt wird.

Bevor die Wege instandgesetzt und die Spielgeräte erneuert werden können, muss die Stadt prüfen, wie dies geschehen kann, ohne dass die Ameisen durch Erdbewegungen weiter verschleppt werden. Deshalb werden die Arbeiten voraussichtlich nicht vor Ende Oktober beginnen können.

Wenn das große Krabbeln beginnt: Stadt setzt im Kampf gegen Tapinoma Magnum auf Mithilfe aus der Bevölkerung

Wenn im Frühjahr die Außentemperaturen steigen, erwacht unter der Erde wieder das Leben. Insekten wie etwa die eingeschleppte Ameisenart Tapinoma magnum kehren aus ihrer Winterruhe zurück und das emsige Krabbeln und Graben beginnt von Neuem. „Bei zehn Grad und direkter Sonneneinstrahlung werden die Ameisen wieder aktiv“, weiß der städtische Umweltbeauftragte Gregor Koschate.

Ameisen wuseln über einen Baumstamm.
Bei frühlingshaften Temperaturen erwachen die Ameisen, darunter auch die Tapinoma magnum, aus ihrer Winterruhe.

Um die Ausbreitung der invasiven Insekten weiter zu bremsen, hat der städtische Betriebshof noch im vergangenen Jahr ein eigenes Heißwassergerät angeschafft. Planmäßig sollen die städtischen Mitarbeitenden ab Montag, 17. März 2025, wieder ausrücken, unter anderem nach Marlen, Neumühl und Odelshofen. Für eine wirksame Bekämpfung sind der Betriebshof und die Stabstelle für nachhaltige Stadtentwicklung auf die Mithilfe aus der Bevölkerung angewiesen. „Nur so können wir viele Nester ausfindig machen“, sagt Gregor Koschate. Wo lassen sich die schwarzgepanzerten Tierchen entdecken? Wenn Randsteine am Gehsteig aussehen, als wären sie schwarz ausgefugt worden, wenn sich die Ameisen in Mauerspalten dicht an dicht drängen oder um Erdlöcher tummeln, kann das ein Hinweis auf ein Nest einer Superkolonie sein. Diese Hinweise nimmt die Stabstelle für nachhaltige Stadtentwicklung per Email an umwelt@stadt-kehl.de entgegen.
Anschließend werden die gemeldeten Standorte begutachtet. Bestätigt sich ein Verdachtsfall und erscheint die Bekämpfung erfolgsversprechend, bietet die Stadt an, die Ameisen auf dem Grundstück mit dem Heißwasserverfahren einzudämmen. Dabei werden die unterirdischen Nester mit 95 Grad heißem Wasser zerstört. „Das ist reines Wasser, mit einem Enthärter versetzt. Es kommen keine Pestizide zum Einsatz“, betont Gregor Koschate. Weil sich Heißwasser auch zur Unkrautbekämpfung eignet, kann es vorkommen, dass die Vegetation durch die Behandlung Schaden nimmt. Damit Betriebshofmitarbeitende den befallenen Boden behandeln können, bedarf es einer von der Eigentümerin oder dem Eigentümer unterschriebenen Betretungsrechtserklärung und Haftungsfreistellung. Das Formular liegt zum Herunterladen bereit und kann zudem an den Ortsverwaltungen abgeholt werden. Erst wenn die notwendigen Unterschriften vorliegen, kann der städtische Betriebshof auch auf Privatgrundstücken aktiv werden. Wichtig ist zudem: Wer zur Miete wohnt und Ameisen auf seinem Grund entdeckt hat, kann die Betretungsrechterklärung (767 KB) nicht selbst unterzeichnen, sondern benötigt die Unterschrift des Grundstückeigentümers.

Ein Betriebshofmitarbeiter leitet heißes Wasser in den Erdboden ein.
Mitarbeitende des Betriebshofs sind ab Montag, 17. März, wieder im Einsatz gegen die invasiven Insekten. 

Um zu vermeiden, dass sich die Tapinoma magnum überhaupt erst auf dem eignen Grundstück ausbreitet, empfiehlt Gregor Koschate beispielsweise Pflanzentöpfe vor dem Kauf auf Ameisen zu kontrollieren. Hierzu sollten die Gewächse aus dem Topf genommen und auch deren Wurzelballen überprüft werden. Beim Verschenken von Topfpflanzen sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass diese ameisenfrei sind. Auch anfallender Grünschnitt sollte vor der Entsorgung auf Ameisen kontrolliert werden, da diese ihre Eier bevorzugt an den Wurzeln ablegen. „Die Ameisen sind insbesondere in der Zeit zwischen 1. Dezember und 31. Januar nicht sehr aktiv“, berichtet Gregor Koschate. In diesem Zeitraum verringere sich die Gefahr die Ameisenpopulation durch Grünschnitt weiterzuverbreiten. Auch empfiehlt der Umweltbeauftragte, keine zuckerhaltigen oder proteinreichen Lebensmittelabfälle zu kompostieren und den Tierchen somit eine wichtige Nahrungsquelle zu entziehen. Um möglichst früh zu erkennen, ob sich die invasiven Insekten auf dem eigenen Grundstück ansiedeln, rät der Umweltbeauftragte dazu, Laub und Unkraut an Weges- und Grundstücksrändern zu entfernen. „Dadurch lassen sich Ameisenstraßen einfacher erkennen“, erläutert er. Sollten sich auffällig viele Ameisen an der Abfalltonne tummeln, empfiehlt er Kieselgur.

Nordafrikanische Ameise hat sich in Marlen explosionsartig vermehrt und breitet sich weiter aus

Es krabbelt und wuselt auf dem Spielplatz in Marlen, die Grasspielfläche ist zu einem Gutteil umgegraben, an den Holzbalken, welche die Sandfläche einfassen, haben sich dunkelgraue Ameisenstraßen und schwarze Ameisenknäule gebildet: Tapinoma magnum heißt das schwarze Krabbeltier, das zahlreiche Einwohnerinnen und Einwohner in Marlen – und inzwischen auch in Neumühl – zur Verzweiflung bringt. Obwohl die Stadt die invasive Ameisenart seit dem vergangenen Herbst mit maisstärkehaltigem Heißschaum bekämpft, haben sich die Plagegeister in Marlen explosionsartig vermehrt. „Das ist richtig krass“, sagt David Altendorf von der Schädlingsbekämpfungsfirma Kleinlogel, „das habe ich so noch nie gesehen“.

Die nordafrikanischen invasiven Ameisen haben in Marlen längst eine Superkolonie gebildet - mit Millionen Tieren.

Inzwischen steht fest, dass es in Marlen eine sogenannte Superkolonie der Tapinoma magnum mit Millionen von Tieren gibt, die sich über mehrere Hektar Fläche verteilen. Die äußert flinken Ameisen unterhöhlen Gehwege und Straßen und dringen in Häuser ein. Sie habe schon alles versucht, berichtet eine Anwohnerin dem städtischen Umweltbeauftragten Gregor Koschate: Im Garten hat sie Blumenstöcke entfernt, in denen sich die invasiven Ameisen versammelt haben, und alle durch Lavendel ersetzt und im Haus alles ausprobiert, was gemeinhin gegen Ameisen hilft – bei Tapinoma magnum aber versagt. „Es gibt bislang nichts, was gesichert gegen die invasive Ameise wirkt“, erklärt Gregor Koschate, der inzwischen seit Monaten auf allen Wegen versucht, Informationen über die Bekämpfung der Tiere zu bekommen, die nicht nur für die betroffenen Anwohner eine wahre Plage sind, sondern zudem die heimische Fauna bedrohen und wirtschaftliche Schäden verursachen.

Eine Anwohnerin drückt mit der Schuhspitze gegen die Tür eines Verteilerkastens und schon wuseln Hunderte Ameisen heraus. Sie haben bereits für Ausfälle von Strom und Internet gesorgt. Entlang der Gartenmauer zeugt eine fast ununterbrochene Reihe von Sandhäufchen ebenso von der unausgesetzten Aktivität der ungezählten Plagegeister wie auf dem mit Rasengittersteinen befestigten Stellplatz vor der Garage. Wenige Meter weiter lässt das aufgelockerte Erdreich an einer Baumscheibe vermuten, dass sich Tapinoma magnum auch dort bereits eingenistet hat. Und tatsächlich: Beim Näherkommen wird ein ganzes Nest mit glibbrigen weißen Ameiseneiern sichtbar. Noch bevor der Schädlingsbekämpfer die Spritzlanze mit dem Schlauch verbunden hat, haben die Ameisen ihre Brut bereits weggeschafft.
Fünfmal haben Mitarbeiter der Firma Kleinlogel GmbH die Flächen, auf denen sich Tapinoma magnum zeigt, intensiv mit Heißschaum besprüht. Der Druck, mit dem die schäumende Flüssigkeit austritt, ist so hoch, dass Sand und Erde aufspritzen. Damit soll erreicht werden, dass der Heißschaum möglichst tief eindringt, weil bekannt ist, dass die Ameisennester in bis zu einem Meter Tiefe liegen. In der kommenden Woche erfolgt der nächste Bekämpfungszyklus.

Wenn sich die Tiere bedroht fühlen, transportieren sie die Eier in kürzester Zeit ab.

Dass sich die Tiere trotz der Maßnahmen explosionsartig vermehrt haben, ist für Gregor Koschate ein Hinweis darauf, dass die Abstände zwischen den Einsätzen verringert werden sollten. Doch das ist alles andere als einfach: Das Unternehmen, das in Marlen tätigt ist, kommt aus Darmstadt – weil es in der näheren Umgebung keine Firma gibt, welche in der Bekämpfung der Tapinoma magnum erfahren ist. Würde man in den wöchentlichen Einsatz gehen, kämen pro Superkolonie wohl Kosten von mindestens 50 000 Euro auf die Stadt zu. Und Marlen ist inzwischen kein Einzelfall mehr: Am Spielplatz in Neumühl haben sich die nordafrikanischen Ameisen ebenfalls schon ausgebreitet – das lassen die Flecken aufgelockerter Erdflächen auf der ansonsten grünen Spielwiese vermuten. Und das schwarze Gewusel in den bepflanzten Flächen. Auch in den Einfahrten und Höfen der Häuser in den angrenzenden Straßen wimmelt es bereits von Abertausenden der Krabbler. Dieser und weitere Verdachtsfälle von Ansiedlungen von Tapinoma magnum im Stadtgebiet werden gerade untersucht.

Weil auch andere Städte und Gemeinden von der invasiven Ameise heimgesucht sind, hat sich Oberbürgermeister Wolfram Britz an das Umweltministerium des Landes, das Regierungspräsidium Freiburg und die Umweltbehörde beim Landratsamt gewandt: Da invasive Arten – dabei ist die nordafrikanische Ameise ein Beispiel und die asiatische Tigermücke ein weiteres – landes- oder gar bundesweit Probleme verursachten, könne es nicht angehen, dass die Kommunen bei der Bekämpfung allein gelassen würden. Und dies nicht nur, was die horrenden Kosten angehe: „Das Beispiel der Tapinoma magnum zeigt aus unserer Sicht beispielhaft, dass für eine effiziente Bekämpfung invasiver Arten ein unverzügliches, koordiniertes und konsequentes Handeln erforderlich ist. Aus unserer Sicht ist es dringend geboten, schlagkräftige Netzwerke aus Vertreterinnen und Vertretern der Forschung, der Wirtschaft und der Politik zu gründen“, fordert er in seinen Briefen. Eine Antwort hat die Stadt bislang – Stand 29. Mai – noch nicht bekommen.