Neue Heimat, neue Existenz

Havagül Havutcu: Geflüchtete engagiert sich ehrenamtlich

Porträt von Havagül Havutcu
Von den Mitarbeitenden des städtischen Integrationsmanagements fühlt sich Havagül Havutcu gut unterstützt.

Seit mehr als zwei Jahren lebt Havagül Havutcu nun schon in Deutschland. Die 32 Jahre alte Mutter ist mit ihrem Ehemann Hakan und ihrem gemeinsamen sechsjährigen Sohn aus der türkischen Stadt Manisa in der Nähe von Izmir geflüchtet und lebt heute, nach mehreren Zwischenstopps, in Kehl.

Weil ihm vorgeworfen wurde, Geld an eine Nicht-Regierungs-Organisation gespendet zu haben, musste der Mann von Havagül Havutcu eine 14-monatige Haftstrafe absitzen. Für die Familie ein triftiger Grund, die türkische Heimat hinter sich zu lassen. „Es besteht immer die Gefahr, dass mein Mann wieder ins Gefängnis kommt“, sagt Havagül Havutcu. In Kehl angekommen, wünscht sie sich vor allem eines: „Ich will Menschen helfen.“ In der Türkei hat Havagül Havutcu als Krankenschwester gearbeitet und sie möchte in diesen Beruf auch wieder zurückkehren. Deshalb wartet sie aktuell darauf, dass ihr Diplom anerkannt wird, denn in der Türkei setzt der Beruf ein Studium voraus, erläutert sie. Ihr Ehemann Hakan Havutcu besitzt einen Studienabschluss in öffentlicher Verwaltung und kann sich eine Beschäftigung im Informatikbereich vorstellen. Im Moment konzentrieren sie und ihr Ehemann sich darauf, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Beide hatten Ende September vergangenen Jahres erfolgreich einen Sprachkursus auf B1-Niveau absolviert. Nun warten sie auf einen Folgekursus. „Manchmal ist die Bürokratie in Deutschland etwas langsam“, sagt sie und lacht. Um nicht untätig zu bleiben, hatte sie von Mai bis Oktober 2022 ehrenamtlich in einem Altenheim ausgeholfen und engagiert sich derzeit im Empfangsbüro Anker 36 an der Schulstraße. Während sie neuen Innenstadtbewohnerinnen und -bewohnern hilft, sich in Kehl zurechtzufinden, kümmert sich ihr Ehemann um den gemeinsamen Sohn.

Dennoch fühlt sich Havagül Havutcu gut unterstützt, insbesondere von Integrationsmanagerin Marlene Ofner, beispielsweise bei Mietfragen. Unterstützung erhält die Familie zusätzlich von einem sogenannten Sprachpartner der Caritas, der sie regelmäßig besucht und ihnen hilft, Bewerbungen zu schreiben. „In der Ortenau fühlen wir uns sehr sicher“, betont sie, und ihr Mann nickt dabei zustimmend. Ihre Freizeit verbringt die 32-Jährige gerne im Freien. „Die Fahrradwege hier sind toll. Das gibt es in der Türkei so nicht“, zeigt sie sich begeistert. Auch der Rhein und der Garten der zwei Ufer gefallen ihr und ihrer Familie. Spaziergänge führten sie und ihre Familie auch häufig über den Rhein ins benachbarte Straßburg. Gerade zu Weihnachten findet Havagül Havutcu die französische Nachbarstadt besonders hübsch. Auch ihr Sohn fühlt sich sehr wohl in Kehl und hat im Kindergarten auch schon viele Freundschaften knüpfen können, berichtet Havagül Havutcu stolz. Er spielt Fußball im Verein „und spricht schon besser Deutsch als wir“, sagt sie schmunzelnd. Außerdem ist kürzlich noch weiterer Familienzuwachs dazugekommen. „Wir sind hier wirklich glücklich und freuen uns auf das, was noch kommt.“

„Ich habe hier ein gutes Leben“: German Khodunai aus Odessa flüchtet vor Ukrainekrieg in die Rheinstadt

Russland hat am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen. Am 14. März 2022 erreichte German Khodunai aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa auf der Flucht vor dem Angriffskrieg die Rheinstadt. Das städtische Integrationsmanagement unterstützte ihn bei der Job- und Wohnungssuche.

Der russische Überfall hatte den 29-Jährigen sprichwörtlich aus dem Schlaf gerissen: Nahe bei Odessa schlugen russische Raketen ein und rüttelten ihn und seine Lebenspartnerin wach. „Im ersten Moment hielten wir die Explosionen für Feuerwerke“, erinnert sich German Khodunai. Rasch stellte sich heraus, dass die Realität deutlich besorgniserregender war. German Khodunai erinnert sich, wie er seine Freundin mit zittrigen Knien aufgefordert hatte, ihre Papiere und Sachen zu sammeln und zu ihrer Mutter zu flüchten. „Es ist mir unbegreiflich, wie man im 21. Jahrhundert noch einen Krieg anzetteln kann“, sagt er kopfschüttelnd. Wenige Tage nach dem Überraschungsangriff des russischen Militärs, es war bereits Anfang März, bricht German Khodunai zur Flucht auf. Über Zwischenstationen im polnischen Krakau und in den Niederlanden in Amsterdam entkommt er den Gräueln des Krieges in die Rheinstadt. In Kehl findet er auch seine Freundin wieder. Diese hatten die ukrainische Heimat ebenfalls fluchtartig verlassen und war über Moldawien und Dänemark schließlich zu ihrem Bruder nach Kehl gereist, wo dieser wohnte. 

Drei Monate lang lebte German Khodunai mit seiner Freundin und vier weiteren Menschen in der Drei-Zimmer-Wohnung des Bruders unter einem Dach. Anschließend bezog er ein Zimmer in der ehemaligen Gaststätte Sonnenhof in Odelshofen. Dort traf er auf Integrationsmanager Fares Mousa. „Ein guter Mann“, wie sich German Khodunai erinnert. Während seines Aufenthalts in Odelshofen erreichte auch seine Mutter sowie eine Freundin seiner Schwester die Rheinstadt. „Fares Mousa hat uns bei der Unterbringung geholfen“, sagt der 29-Jährige anerkennend. Die Hilfe des städtischen Integrationsmanagements erschöpfte sich damit allerdings noch nicht: Anna Kukharuk, selbst aus der Ukraine geflüchtet, verhalf ihm zu Arztterminen und unterstützte bei der Wohnungssuche. Der Integrationsmanagerin verdankt es German Khodunai auch, dass er inzwischen einer Nebentätigkeit in der Stadthalle nachgehen kann. Der Ausgangspunkt dafür war: der Kehler Weihnachtsmarkt. An einem eigenen Stand boten Geflüchtete aus der Ukraine den Besucherinnen und Besuchern landestypische Gerichte und Gebäcke, unter ihnen auch Anna Kukharuk. Dort wurde sie von Volker Lorenz, bei der Kehl Marketing für Märkte und das Stadthallenmanagement zuständig, angesprochen. „Wir hatten noch helfenden Hände für unser Stadthallen-Team gesucht“, berichtet Volker Lorenz. Anna Kukharuk empfahl ihm daraufhin, German Khodunai anzufragen. Volker Lorenz folgte ihrem Rat und Anna Kukharuk übersetzte für den 29-jährigen Ukrainer. Seither ist German Khodunai als Bühnenhelfer in der Stadthalle tätig. Zu seinen Aufgaben gehört es, Kulissen für Theaterstücke auf- und abzubauen, Stuhlreihen für Konzertabende aufzustellen und in der Garderobe auszuhelfen. „Er ist handwerklich begabt“, bestätigen sowohl Anna Kukharuk als auch Volker Lorenz. Jenes handwerkliche Geschick bringt German Khodunai zusätzlich in der Fahrradwerkstatt der Kehler Flüchtlingshilfe in den Räumen hinter dem Sundheimer Grundschulgebäude ein. Dort flickt er löchrige Fahrradschläuche oder richtet verzogene Lenker. „Es ist eine willkommene Ablenkung“, sagt er. „Es hält mich davon ab, ständig über diesen blödsinnigen Krieg nachzudenken.“

Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, nach Kriegsende wieder in die Ukraine zurückzukehren, gibt sich der 29-Jährige zurückhaltend: „Ich habe hier ein gutes Leben.“ Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb beteiligt sich German Khodunai in seiner Freizeit neben seinem ehrenamtlichen Engagement für die Fahrradwerkstatt an den Hilfsgütertransporten in seine ukrainische Heimat. Er sammelt Schlafsäcke, Isomatten, Kleidungsstücke und fährt dafür auch schonmal bis nach Köln um die Hilfsgüter mit dem Sprinter abzuholen. „Mein Vater ist immer noch in Odessa“, berichtet er. Seine Freundin wird voraussichtlich Kehl im November in Richtung der Vereinigten Staaten verlassen. „Sie hat in der Greencard-Lotterie gewonnen.“

Sunam Kohistani aus Afghanistan möchte die in Kehl erlebte Hilfsbereitschaft weitergeben

Gerechtigkeit, Frauenrechte und weniger Diskriminierung – diese Themen bewegen die 20-jährige Sunam Kohistani. 2020 ist sie mit ihrer Familie aus Afghanistan in die Rheinstadt gekommen. Der Vater war schon fünf Jahre zuvor in die Ortenau geflüchtet. Das städtische Integrationsmanagement sowie die Integrationsbeauftragten haben der jungen Afghanin dabei unterstützt, sich in Kehl zurechtzufinden und ihren Traum von einem Jura-Studium zu folgen.

Sunam Kohistani steht vor den Treppen des Reichtstagsgebäudes.
Seit ihrer Ankunft in Kehl möchte sich Sunam Kohistani für Frauenrechte und gegen Diskriminierung einsetzen. Dazu hat sie ein Praktikum im Bundestag absolviert.

An Engagement und Einsatzbereitschaft scheint es der 20-jährigen Sunam Kohistani nicht zu mangeln: In ihrer Schule in der afghanischen Hauptstadt Kabul hatte sie gleich mehrere wichtige Funktionen inne. Sie war Klassensprecherin und Mitglied im Planungskomitee für den in Afghanistan typischen Lehrertag am 5. Oktober. „An diesem Tag gibt es in der Schule eine große Feier“, berichtet Sunam Kohistani. Diese mit zu organisieren, fiel auch ihr zu. „Beispielsweise bringen die Schülerinnen und Schüler Gebäck mit, das anschließend verkauft wird“, erinnert sie sich. Der Lehrertag sollte nicht der einzige Unterschied zwischen dem afghanischen und dem deutschen Schulalltag bleiben, wie Sunam Kohistani feststellte, als sie 2021 auf die Hebelschule wechselte. In der ehemaligen islamischen Republik durchliefen Schülerinnen und Schüler üblicherweise die ersten neun Klassenstufen an derselben Schule. Daran schloss sich die Obere Sekundarstufe (zehnte bis zwölfte Klasse) an. Anschließend konnten die Absolventinnen und Absolventen an einer afghanischen Universität studieren. Einen großen Unterschied erkennt Sunam Kohistani auch beim Umgang der Lehrkräfte mit den Schülerinnen und Schülern. „Hierzulande sind die Lehrerinnen und Lehrer sehr hilfsbereit“, findet sie. In ihrer früheren Schule seien die Schülerinnen und Schüler auf sich allein gestellt gewesen, unter anderem auch, weil in einer Klasse bis zu 40 Kinder unterrichtet wurde. Sunam Kohistani ist 2020 gemeinsam mit ihrer Mutter, ihren beiden Schwestern und zwei Brüdern nach Deutschland gezogen. Ihr Vater war bereits 2015 in die Bundesrepublik geflüchtet und konnte seine Familie fünf Jahre später nachziehen. Der verbliebene Bruder kam im Oktober 2022 nach Deutschland. Das Schulsystem unter dem Regime der Taliban hatte Sunam Kohistani somit nicht miterleben müssen.

Für Frauenrechte und gegen Diskriminierung: Sunam Kohistani möchte Jura studieren

Für die 20-Jährige ist das sicherlich ein Glücksfall: Sie plant, ihr Abitur nachzuholen und möchte ein Jura-Studium beginnen. In Afghanistan erlaubt die Taliban jungen Mädchen den Schulbesuch lediglich bis zur sechsten Klasse. Auch vom Studium an einer Universität werden Frauen in Afghanistan inzwischen ausgeschlossen. „Das ist schrecklich“, klagt Sunam Kohistani. „All die wundervollen zukünftigen afghanischen Ärztinnen, Lehrerinnen, Anwältinnen und Künstlerinnen werden aus der Öffentlichkeit verbannt und grundlegenden Menschenrechten beraubt.“ Sie empfindet die gegenwärtige Politik der Taliban in ihrem Heimatland als Bigotterie und Frauenfeindlichkeit. „Das tut mir im Herzen weh“, fügt sie hinzu. Hinter ihrem Ziel eines Jura-Studiums verbirgt sich daher auch der Wunsch nach mehr Gerechtigkeit für Frauen. Unterstützt wird sie dabei vom Team des städtischen Integrationsmanagements sowie von der Integrationsbeauftragten Raya Gustafson. Diese hatte ihr einen Gastvortrag in einem interkulturellen Seminar an der Hochschule für öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg vermittelt. Vor etwa 50 Zuhörerinnen und Zuhörer berichtete Sunam Kohistani über die Situation ihrer alten Heimat. Und auch mit Bundestagsabgeordneten unterschiedlicher Parteien konnte sie sich während eines Praktikums im März zu dem Themenkomplex Frauenrechte und Gerechtigkeit austauschen. „Megagut“ habe sie das gefunden, berichtet sie.

Ebenso wie das Integrationsmanagement-Team der Stadt ihr nach ihrer Ankunft in Kehl geholfen hat, sich in der Rheinstadt zurechtzufinden und zu integrieren, unterstützt Sunam Kohistani nun afghanische Familien. Dabei geht es um ganz praktische Alltagsfragen wie: „Wo finde ich den nächsten Supermarkt?“, „Wo kann ich Briefe verschicken?“, „Was ist ein Jobcenter?“ und „Wer begleitet mich zu Arztterminen?“ Sunam Kohistani: „Ich kann die sprachlichen Probleme gut nachvollziehen.“

Geflüchteter Syrer Ahmad Hasan fühlt sich in Kehl gut aufgenommen

Integration hat viele Gesichter: In einer losen Folge stellen wir sechs Männer und Frauen vor, die aus Angst um ihr Leben ihre Heimat verlassen haben. Mit Unterstützung des städtischen Integrationsmanagement-Teams haben sie sich in der Rheinstadt ein neues Leben aufgebaut. Heute: Familienvater Ahmad Hasan, der seine Heimat Syrien vor sieben Jahren verlassen musste.

„Die Rheinstadt gibt mir Sicherheit“: Ahmad Hasan aus Syrien arbeitet als Hausmeistergehilfe für die Stadt

Ahmad Hasan steht vor der Tramhaltestelle am Kehler Rathaus.
Ahmad Hasan arbeitet als Hausmeistergehilfe für die Stadt, weil er gerne Dinge repariert. An Kehl mag er das pittoreske Rheinvorland und die Nähe zu Straßburg.

Ahmad Hasan kam vor sieben Jahren als Flüchtling nach Deutschland und arbeitet heute als Hausmeistergehilfe für die Stadt.

Geflohen ist der 47-Jährige vor dem Regime in seiner Heimat, nachdem ihn dieses enteignen wollte. Der Vater hatte ihm ein Grundstück hinterlassen; dieses drohte ihm das Regime zu nehmen. „Ich hatte Angst und fühlte mich nicht mehr sicher“, sagt Ahmad über seine Beweggründe, das Land zu verlassen. Sein Weg führte ihn über Eisenhüttenstadt, Frankfurt an der Oder und dem brandenburgischen Königs Wusterhausen in den Südwesten der Republik nach Kehl. Sein Schwager lebt in Straßburg und konnte ihm eine Wohnung vermitteln. Seine Frau zog anschließend mit ihrem gemeinsamen Sohn in die Rheinstadt nach.

Integrationsmanagerin verhalf Ahmad Hasan zu seinem heutigen Job

Heute ist er Vater von vier Kindern und sein Lebensmittelpunkt ist in Kehl. Seinen Lebensunterhalt verdient er seit rund einem halben Jahr als Hausmeistergehilfe für das Sozialwesen und betreut vor allem Wohnungen, in denen Flüchtlinge untergebracht sind „Wasserhähne reparieren, kleinere Renovierungstätigkeiten, ich mache alles, was so anfällt“, beschreibt er seine Tätigkeit. Er ist erleichtert und dankbar, dass er wieder einer geregelten Arbeit nachgehen kann. Während der Corona-Pandemie hatte er seine Anstellung bei einem Automobilzulieferer verloren, war für längere Zeit arbeitssuchend. Zumindest, bis die damalige Integrationsmanagerin Tamina Braunewell ihm zu seiner jetzigen Stelle verhalf. Auf die Frage nach seinen Hobbies entgegnet er: Dinge reparieren. „Das habe ich schon in Syrien gerne gemacht“, fügt er hinzu. Daher passe sein jetziger Beruf sehr gut zu ihm. Wenn beispielsweise ein Fahrrad wieder ertüchtigt werden müsse, kämen Freunde und Bekannte regelmäßig auf ihn zu, berichtet er weiter. Ahmad Hasan repariert nicht nur gerne Fahrräder, er spielt nach eigenen Angaben auch mit dem Gedanken, sein eigenes Liegerad zu entwickeln. „Leider fehlt mir noch die eigene Werkstatt dazu“, schränkt er ein. „Aber vielleicht klappt das ja irgendwann“, bleibt er zuversichtlich.

Ahmad Hasan fühlt sich wohl in seiner neuen Heimat

Nach den Einschüchterungen und Bedrohungen in der syrischen Heimat fühlt er sich in Kehl endlich sicher. „Die Nachbarn sind freundlich und hilfsbereit“, berichtet der 47-Jährige. An seiner neuen Heimat gefalle ihm auch die unmittelbare Nähe zu Straßburg, das pittoreske Rheinvorland und die vielfältigen Einkaufsmöglichkeiten. „Ich fühle mich in Kehl gut aufgenommen“, betont er. Er sei dankbar für die wertvolle Unterstützung durch das städtische Integrationsmanagement-Team. „Mir wurde sehr gut geholfen; ich fühle mich gut integriert.“

Familie Mahmoody aus Afghanistan baut sich in Kehl ein neues Leben auf

Raihana Ghafuri und Mohammad Akbar Mahmoody sitzen zusammen mit ihrem Sohn Ali Omer auf dem heimischen Sofa.
Fühlen sich wohl in ihrer neuen Heimat: Raihana Ghafuri, Mohammad Akbar Mahmoody und Sohn Ali Omer.

Mohammad Akbar Mahmoody, seine Ehefrau Raihana Ghafuri und ihr gemeinsamer Sohn Ali Omer sind vor den Taliban aus Afghanistan geflohen. Die junge Familie hat in Kehl ein neues Zuhause gefunden und viele Zukunftspläne.

Flucht vor den Taliban

Mohammad Akbar Mahmoody sitzt auf dem grauen Sofa in seinem lichtdurchfluteten Wohnzimmer und erzählt aus seinem früheren Leben, das im August 2021 eine jähe Wendung genommen hat. Nachdem die radikalislamistischen Taliban nach 20 Jahren wieder die Macht in Afghanistan übernommen hatten, herrschte in der Hauptstadt Kabul nicht nur bei Familie Mahmoody Angst und Unsicherheit. Da er in den Jahren davor als Ortskraft für westliche Organisationen gearbeitet hatte, mussten er und seine Familie mit Repressionen rechnen. Detailliert berichtet das Ehepaar davon, wie es ihnen Ende November 2021 gelungen ist, nach Pakistan auszureisen. Die beschwerliche Flucht endet Wochen später mit der Ankunft auf dem Rollfeld des Leipziger Flughafens. Nach einem kurzen Zwischenstopp in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe kommt die Familie nach Kehl. In der Rheinstadt können die drei schnell ihre heutige Wohnung beziehen, die sie durch Raihana Ghafuris Bruder vermittelt bekamen, der schon länger in Kehl lebt und arbeitet.

Beruflich sei er schon immer ambitioniert gewesen, berichtet Mohammad Akbar Mahmoody: „Mein Lebenslauf ist mehrere Seiten dick.“ In Afghanistan war er nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in verschiedenen Bereichen tätig, unter anderem als Unternehmensberater. Darüber hinaus hat er, der Persisch, Urdu und Englisch spricht, als Sprachlehrer gearbeitet. Für den afghanischen Verband für Erwachsenenbildung, der beim Aufbau von Erwachsenenbildungszentren in Afghanistan als Kooperationspartner des Deutschen Volkshochschulverbands fungierte, war er als Spezialist für Beschäftigungsprogramme sowie als Bildungsprogramm-Manager tätig. Raihana Ghafuri arbeitete in Kabul als Krankenschwester und Verwaltungsassistentin, bevor sie ihren Ehemann kennenlernte. Nach der Heirat 2018 begann sie ein BWL-Studium, welches sie aufgrund der Flucht nicht beenden konnte.

Integrationskurs bereitet auf das Leben in Deutschland vor

In der Rheinstadt konnte sich die Familie bei Alltagsfragen und im Umgang mit den Behörden zu Beginn auf die Mitarbeitenden des städtischen Integrationsmanagements verlassen, erzählt Mohammad Akbar Mahmoody. Das Ehepaar absolvierte bereits von März bis Dezember 2022 einen Integrationskurs. In diesem lernten sie die sprachlichen und kulturellen Grundlagen kennen, die ihnen dabei helfen sollen, sich in ihrer neuen Heimat besser zurechtzufinden.

Anschließend besuchten Mohammad Akbar Mahmoody und Raihana Ghafuri wochentags bis Ende Juli einen B2-Sprachkurs in Offenburg, auf dessen Ergebnisse sie derzeit warten. Darüber hinaus engagiert sich Mohammad Akbar Mahmoody auf Initiative der städtischen Integrationsbeauftragten Raya Gustafson ehrenamtlich als Wegbegleiter im Anker 36. In dieser Funktion dient er Neuankömmlingen in der Rheinstadt als Orientierungshelfer und versorgt sie mit allgemeinen Informationen über die Stadt sowie vorhandene Unterstützungs- und Beratungsangebote. „Für uns ist er eine große Hilfe, da er durch seine eigene Geschichte genau weiß, worauf es ankommt“, sagt die Leiterin der Gemeinwesenarbeit Innenstadt, Emilie Schleich. Helfen will Mohammad Akbar Mahmoody auch in seiner zukünftigen beruflichen Tätigkeit: „Gerne würde ich Berufsberatung machen oder als Deutschlehrer beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeiten. Ich könnte mir aber auch vorstellen irgendwann selbst als Integrationsmanager zu arbeiten“ Auch Raihana Ghafuri plant bereits ihre berufliche Zukunft. Sie würde gerne eine Ausbildung zur medizinischen Fachangestellten absolvieren.

Obwohl sie erst knapp zwei Jahre in Kehl leben, fühlt sich die junge Familie bereits heimisch. Dennoch ist die persönliche Situation immer wieder belastend. Raihana Ghafuris Eltern und ihre Schwester leben seit geraumer Zeit unter schwierigen Bedingungen im Iran, erzählt sie. Kontakt gebe es derzeit nur über das Internet.

Geflüchteter Kurde Nawzad Mohammad arbeitet als Kickboxtrainer

Der geflüchtete irakische Kurde Nawzad Mohammad sitzt auf dem heimischen Sofa.
Nawzad Mohammad auf dem heimischen Sofa: Der irakische Kurde unterweist Jugendliche und Erwachsene in der Kunst des Kickboxens. Er hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht.

Den Rücken gerade, die Fäuste oben und der Blick konzentriert: Das sind die Momente, in denen sich Nawzad Mohammad am wohlsten fühlt. Der irakische Kurde arbeitet seit einigen Jahren als professioneller Kickboxtrainer. Obwohl die erste Zeit in Deutschland nicht einfach für ihn war, fühlt er sich inzwischen heimisch.

In seiner alten Heimat absolvierte der heute 42-Jährige nach seinem Abschluss einen landwirtschaftlichen Studiengang mit dem Schwerpunkt Viehhaltung, welchen er nach eigenen Angaben als Jahrgangsbester abgeschlossen hat. Aufgrund dessen habe sich für ihn, der neben Kurdisch auch Arabisch, Englisch und inzwischen Deutsch spricht, die Möglichkeit ergeben, im Ausland zu studieren. Er entschied sich für das Writtle University College im britischen Essex in der Nähe Londons, wo er von 2014 bis 2016 einen Masterstudiengang anschloss. Zurück im Irak arbeitete er als Kickboxtrainer.

Flucht nach Deutschland 2017

Da seine persönliche Sicherheit zunehmend gefährdet gewesen sei, flüchtete er 2017 nach Deutschland. Zu diesem Zeitpunkt waren seine Ehefrau und seine Tochter bereits im Land. Nach einem längeren Aufenthalt in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Karlsruhe und einigen Zwischenstation kam er schließlich in die Rheinstadt. Nach seiner Ankunft unterstützten ihn Integrationsmanager Fares Mousa und seine Kollegin Johanna Bung sowohl bei der Job- als auch bei der Wohnungssuche, erinnert er sich zurück. Zusätzlich verhalfen sie ihm zu einem B1-Sprachkurs und leiteten in die Wege, dass er einen Integrationskurs absolvieren konnte. „Die beiden sind für mich fast wie Familienmitglieder“, sagt er lächelnd. Ebenso positiv äußert sich Fares Mousa über Nawzad Mohammad: „Von Anfang an war er sehr zuverlässig, motiviert und engagiert.“ Inzwischen kommt es vor, dass sich die Mitarbeitenden des Integrationsmanagements in manche Situationen an ihren einstigen Schützling wenden, beispielsweise für spontane Übersetzungen im Umgang mit Neuankömmlingen.

Nawzah Mohammad hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht

Wie das ist, wenn man sich nur schwer verständigen kann, weiß Nawzad Mohammed noch genau. Sein neues Leben war für ihn anfangs ein Kulturschock: „Es hat sich ein bisschen so angefühlt, als ob ich wieder in die erste Klasse gehe. Die Sprache, das Wetter, das Essen, die Regeln und die Menschen. Alles neu und fremd.“ Dabei, dass sich dieses Gefühl allmählich verflüchtigte, halfen unter anderem die Freunde, die er über seinen Job als Kickboxtrainer kennengelernt hat. Bereits seit einigen Jahren unterweist er Jugendliche und Erwachsenen in einem Offenburger Kampfsportzentrum im Kickboxen und kommt dabei viel in der Region herum. „Der Kampfsport war schon früher meine Leidenschaft“, sagt er. Er besitzt eine Trainerlizenz und hat zusätzlich eine Schiedsrichterausbildung absolviert. Außerdem trägt er den sogenannten 5. Dan. Neben seiner Haupttätigkeit geht er einem Minijob nach. Weil Nawzad Mohammad aus eigener Erfahrung weiß, dass das Leben manchmal kompliziert ist, hegt er den Wunsch, Menschen in schwierigen Situationen zu unterstützen. Konkrete Pläne habe er zwar noch nicht, aber eine ehrenamtliche Aufgabe, beispielsweise bei der Caritas oder einer ähnlichen Organisation, stellt er sich reizvoll vor.